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Recensione: Zecharia Kallai, Biblical Historiography and Historical Geography. Collection of Studies

 
 
 
Foto Volgger David , Recensione: Zecharia Kallai, Biblical Historiography and Historical Geography. Collection of Studies, in Antonianum, 74/1 (1999) p. 168-171 .

Daß das Land, vor allem das gelobte Land, eine zentrale Kategorie biblischer Schriften darstellt, ist eine unübersehbare, kaum aber wissenschaftlich gewürdigte Tatsache. Z. Kallai kommt das Verdienst zu, diesem Fragekomplex zahlreiche Einzelstudien im Laufe seiner Forschungstätigkeit gewidmet zu haben. Wenn der emeritierte Professor der Hebräischen Universität Jerusalem in einem Sammelband zahlreiche Einzelbeiträge seiner Publikationstätigkeit veröffentlicht, so sind darin wohl eine gewisse Summe von bewährten und trägfähigen Forschungsergebnissen zu erwarten. In der Einleitung dieses Bandes nimmt d. A. dazu auch Stellung und verdeutlicht seine eventuellen Zusätze, die zu dem vorliegenden Endtext geführt haben. Die Übersetzungen einzelner Beiträge aus dem Englischen besorgte Rabbi Jonathan Chipman. Die bereits veröffentlichten Artikel stammen aus der Zeit zwischen 1975 bis 1989.

Nach einer kurzen Einleitung (S. 9-11), in der d. A. v.a. sein methodisches Vorgehen reflektiert und dem Leser darlegt, beginnt eine Serie von 17 Einzelartikel, die sich mit Fragen zur historischen Geographie im Kontext der Bibelwissenschaften beschäftigen. Dabei sind v.a. drei, in den biblischen Schriften unterschiedene Textbereiche von Interesse:

(1) Als erster biblischer Erzählzusammenhang, der in ausführlicher Weise geographische Gegebenheiten darlegt, ist die Zeit der Wüstenwanderung und der anschließenden Landnahme zu nennen. Diesem Abschnitt widmet d. A. zahlreiche Einzelbeiträge, die hier nur kurz in Übersetzung aufgezählt werden sollen: Das System der Leviten- und Asylstädte (S. 23-62); die Grenzen Kanaans und des Landes Israel in der Bibel (S. 111-129); die Wandertraditionen von Kadesch-Barnea nach Kanaan (S. 165-174); Eroberung und Besiedlung von Transjordanien (S. 175-185); die südliche Grenze des Landes Israel (S. 211-217); Josua und Richter 1 in der biblischen Historiographie (S. 243-260); Aspekte literarischer Komposition in der biblischen Historiographie (S. 261-283).

(2) An zweiter Stelle sind die Berichte und Erzählungen von Interesse, die die beginnende Monarchie unter David und Salomo thematisieren: Salomos Distrikte - von neuem erwägt (S. 92-110); Organisatorisches und administratives Gefüge im Königreich unter David und Salomo (S. 130-136); die vereinte Monarchie Israel - ein Brennpunkt israelitischer Historiographie (S. 137-144); Juda und Israel - eine Studie zur israelitischen Historiographie (S. 145-156).

(3) Als dritten Textbereich führt d. A. mit lediglich einem Artikel die biblischen Schriften an, die sich auf die Zeit der persischen Herrschaft in Juda bzw. Israel beziehen: Juda und die Grenzen judäischer Siedlungen unter persischer Herrschaft (S. 63-91).

Von diesen drei Zeitabschnitten, die für die geographische Fragestellung in den biblischen Schriften besonders relevant sind, erachtet Kallai die beginnende Monarchie als Ausgangspunkt für alle früheren historiographischen Kompositionen. Auf die Gebietsdimensionen des Königtums unter David bzw. Salomo, die Kallai als markante Veränderung geographischer Verhältnisse in Israel einschätzt, seien die Landeroberungs- und Landnahmetraditionen hin konzipiert worden. Die Landnahme Israels ist - gemäß den biblischen Schriften - erst mit David bzw. Salomo abgeschlossen.

Neben dieser unübersehbaren Konzeption alttestamentlicher Schriften stellt d. A. auch die Beziehung zwischen dem ortslosen, wandernden Israel, das genealogisch einheitlich vorgestellt wird, und dem stabilen, landbesitzendem Israel dar. Dabei lassen sich vier Einteilungsschemata ausmachen, die zwei zeitlich voneinander getrennte Entwicklungsstadien widerspiegeln. Die biblischen Schriften wollen demnach eine Veränderung sowohl der genealogischen Verhältnisse, in denen die Beziehungen zwischen den einzelnen Stämme zum Ausdruck kommen, als auch der geographischen Gegenheiten innerhalb des `gelobten´ Landes bewußt festhalten. Folgt man den Untersuchungen Kallais, so ist eine Genealogie, die sich in der Geburtsabfolge der Söhne Jakobs widerspiegelt, von derjenigen zu unterscheiden, die den Stamm Levi nicht berücksichtigt, dafür den Einzelstamm Josef als zwei Stämme, nämlich Ephraim und Manasse, kennzeichnet und zudem noch die Vormachtstellung Judas betont. Es ist unschwer zu erkennen, daß letztere Konzeption den territorialen Aspekt und die konkrete historische Entwicklung Judas und Levis verstärkt berücksichtigt. Die Königszeit, wie sie in den AT-Schriften dargestellt wird, kann als Bezugsrahmen dieser Vorstellung wahrscheinlich gemacht werden. Das AT hat noch eine weitere signifikante Veränderung bezüglich der israelitischen Stämme festgehalten. Während Dan sein Siedlungsgebiet ursprünglich im Süden Israels zugeteilt bekommen hat, kann es letztendlich nur im Norden Israels seinen Platz behaupten. Die Stellung Judas und Levis im Ganzen der Stämme Israels, die Teilung des Stammes Josef in Ephraim und Manasse, der Siedlungsplatz Dans sind nach Kallai die Variablen, auf denen die Basis für die verschiedenen Aufzählungen der israelitischen Stämmesysteme aufruht.

Ein weiteres wichtiges Darstellungsschema erblickt d. A. bezüglich der Landnahme: Die Eroberung als Voraussetzung der Inbesitznahme des Landes entspricht der Zuteilung des Landes. Zudem fällt v.a. der Bezug der Landesgrenzen Israels auf das vormalige Kanaan auf, wobei die Differenz zwischen dem Land Israel und dem Land Kanaan jeweils markiert wird. Das transjordanische Land erfährt in diesem Zusammenhang eine gesonderte Behandlung: Das Gebiet Gilead und der südliche Rest von Transjordanien gehören nicht zu Kanaan. Der `schrittweise´ Prozeß der Inbesitznahme des Landes wird durch die Bezeichnung des noch `verbleibenden´ Landes bzw. durch die Kennzeichnung von Eroberungslücken gekennzeichnet. Ohne Zweifel ist auch in diesem Fall auf ein sorgfältig erarbeitetes Gestaltungsschema der Landnahmetraditionen zu schließen. Dabei soll das Volk Israel als Nachfolger der Völker Kanaans im Lande Kanaan - und darüber hinaus - verstanden werden.

In diesem Zusammenhang gelingt es d. A. auch immer wieder, auf die Bedeutung der Gen-Texte, auf die Beziehungen Abrahams und seiner Verwandten zu anderen `Völkern´ hinzuweisen. Dies wird v.a. in den Erzählungen der `Wüstenwanderung´ mitbedacht. Während Israel nämlich Edom, dessen Stammvater Jakobs Bruder Esau ist, und Moab, dessen Stammvater Abrahams Neffe Lot ist, nicht angreift, werden die Amoriterkönige, die auf dem Boden `Kanaans´ wohnen,  vernichtet.

Die Texte, die von der Wüstenwanderung Israels erzählen, (Ex-Num; Num 33; Dtn 1-3), wie die Texte von Josua und Ri 1 weisen in der Auswahl alter Traditionen und in der konkreten Anwendung auf verschiedene Erzählkontexte ein einheitliches Schema auf.

Diese und ähnliche Ergebnisse können den überlegten Argumentationen Kallais entnommen werden. Dabei erweist sich v.a. seine methodische Reflexion, das gesamte literarische Endprodukt zu studieren, als hilfreich. Diese Methode verbietet es, aus ev. Unstimmigkeiten in den verschiedenen Textabschnitten vorschnell auf unterschiedliche, vielleicht sogar zeitlich weit auseinanderliegende Quellen zu schließen. Dadurch wird d.A. auch fähig, wesentliche, d.h. für das Verständnis des biblischen Textes relevante Unterschiede von eher zufälligen Traditionsüberschüssen oder Ungereimtheiten zu trennen. Mit viel Feingespür gelingt es d. A., den Sinn und die Bedeutung der biblischen Darstellungen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht übereinstimmen, auf dem Hintergrund einzelner Darstellungsstrategien zu deuten. Freilich wird nicht in allem das letzte Wort gesprochen sein. Wenn d. A. nämlich zum Ergebnis kommt, daß die frühe Monarchie als erlebte Geschichte den Hintergrund für die Erzählungen der Landnahme und -zuteilung darstelle, so bildet dies zwar eine Gegenposition zu etwaigen Theorien, die ein frühes Königtum von `Israel und Juda unter David bzw. Salomo´ negieren. Unklar bleibt jedoch die Tragweite der Aussage: „This date refers to the situation reflected in the territorial image of the texts. It does not necessarily indicate anything with regard to the authorship and stages or periods of composition and editorial activity.“ (S. 254) In welcher Periode ist die Komposition der Einwanderungs- und Landnahmeerzählungen noch möglich? Oder müßte man für eine diesbezügliche Datierung nicht auch theologische Konzeptionen wie z.B. die exklusive Stellung YHWHs berücksichtigen?

Aber auch ohne die Beantwortung dieser Frage gehört die `Forschungs-Summe´ Z. Kallais `Biblical Historiography and Historical Geography´ in den Handapparat jedes biblisch Interessierten.

 



 
 
 
 
 
 
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