Volgger David ,
Recensione: HAKAN ULFGARD, The Story of Sukkot. The Setting, Shaping, and Sequel of the Biblical Feast of Tabernacels ,
in
Antonianum, 74/4 (1999) p. 728-730
.
Ulfgard behandelt in seiner Monographie das Sukkot-Fest und dessen Interpretationen im Zeitraum von 600 v. - 500 n. Chr. Dieser zu behandelnde Zeitraum wird in zwei Abschnitte unterteilt. Zunächst wird die Geschichte des Festes in seiner formativen biblischen Zeitspanne dargestellt (600 - 100 v., Teil II, S. 76-230), sodann in der Zeit vom Ende des zweiten Tempels bis in talmudische Zeit (ca. 100 v. -500 n., Teil III, S. 231-282). Eine Einführung (S. 1-35) und Fragen zu kalendarischen und historischen Hintergründen für das biblische Sukkot-Fest bzw. ein Epilog (S. 283) und ein Abstract (284) rahmen diese zwei Teile. Eine ausführliche Bibliographie (S. 285-325), Autoren- (S. 327-331), Quellen- (S. 332-342) und Namens- bzw. Sichwortverzeichnis (S. 343-346) mit knappen Verweisen auf behandelte hebräische und griechische Worte bzw. Phrasen runden die Arbeit ab.
In der Einführung geht Ulfgard auf die Problemstellung ein, die sich aus dem Vergleich biblischer und außerbiblischer Texte, die vom Sukkot-Fest handeln, ergeben. Ein ausführlicher Forschungbericht (S. 8-19) gewährt einen guten Überblick über Ergebnisse und Defizite inder bisherigen Forschung. Für die Lösung kalendarischer Fragestellungen geht Ulfgard von zwei kalendarischen Systemen aus, die beide biblisch belegt seien. Das ältere sei ein agraischer, im wesentlichen solar orientierter Kalender mit dem Neujahrsfest im Herbst, das jüngere weise babylonische Einflüsse auf, sei lunisolar orientiert mit dem Neujahrsfest im Frühjahr. Erst im Zusammenhang mit letzterem Kalender hätten die Feste Israels, v.a. Passa, Mazzot und Sukkot, einen spezifisch jüdischen Charakter erhalten. Wenn auch in Qumranschriften und anderen `späteren´ außerbiblischen Dokumenten ein idealisierter 364-Tage Kalender Verwendung findet, setzt sich der lunisolare Kalender im offizielen, rabbinischen Judentum durch.
Um den Kalenderwechsel in babylonisch-persischer Zeit plausibel zu machen, geht Ulfgard auf die historische Situation dieser Zeit ein. Die Spannungen zwischen verschiedenen biblischen Kalendersystemen in nachexilischer Zeit wird als Auseinandersetzung verschiedener Gruppen gedeutet, die in Israel ihren Einfluß durchsetzen wollten. Die nachexilischen Heimkehrer aus Babylon seien in besonderer Weise für den Einfluß des babylonischen Kalenders verantwortlich zu machen. In diesen Gruppen sei die ethnische und religiöse Konzeption eines `frühen Judentums´ zu suchen.
Im zweiten, ausführlichsten Teil der Arbeit werden die verschiedensten relevanten biblischen und außerbiblischen Texte analysiert. Im Pentateuch ist das Sukkot-Fest erst im redaktionellen Zusatz Lev 23, 42f historisiert und somit als explizites Fest der Exodus-Generation ausgewiesen. Gilt auch das Passa-Fest in der Exoduserzählung als das zentrale Fest, so sei doch aus Ex 23 bzw. 34 und Dtn 31 die vormalige zentrale Stellung des Sukkot-Festes, das zur Jahreswende gefeiert worden sei, zu erkennen. Num 29,12-38 hebt die Vorrangstellung des Sukkot-Festes durch die hohe Zahl der Opfer hervor. Erst unter babylonischem Einfluß sei das Passa-Fest zum wichtigsten Fest des jüdischen Kultkalenders aufgestiegen. Im dtr. bzw. chr. Geschichtswerk (1 Kön 8, 1 Kön 12,32, 2 Chr 5-7) wird das Sukkot-Fest als Tempel-Einweihungsfest erkenntlich, das in vorexilischer Zeit im Herbst zusammen mit dem Neujahrsfest gefeiert worden ist. Die Bücher Esr, Neh stellen das Fest in den Kontext von Tempelkult (Esr 3) und Tora-Verehrung (Neh 8). Wiederum mache sich in der Kennzeichnung Esras und Nehemias als Golaheimkehrer der babylonische Einfluß bemerkbar. In den prophetischen Schriften wird das Fest lediglich in Sach 14,16-19 explizit erwähnt. Sukkot kommt als ideales Zukunftsfest am irdischen Tempel in den Blick, ohne daß der Text selbst eschatologische Konnotationen aufweist. Dem Jubiläen-Buch zufolge ist das Sukkot-Fest erstmalig zur Zeit der Patriarchen (Abraham in Kap. 16 und Jakob in Kap. 32) begangen worden. Das Interesse an halakischen, priesterlichen Regelungen scheint die Textgestaltung dieser Kapitel geleitet zu haben. In Qumran wird das Fest kaum erwähnt. Lediglich die Tempelrolle spricht davon an vier Stellen: 11,13; 27,10-29,6; 42,10-17; 44,6f. Schließlich weist Ulfgard noch auf das griechische Buch Esra (1 Esr), auf 1 Makk 19,21 und 2 Makk 1,9.18; 10,5-8 hin. In 2 Makk mache sich in der Erwähnung von `thrysoi´ hellenistischer Einfluß des Dyonisos-Kultes bemerkbar. Unter vier thematischen Gesichtspunkten (Das Datum von Sukkot; Sukkot und der Tempel; Sukkot und die Tora; Sukkot und Geschichtsrekonstruktion; S. 187-221) faßt Ulfgard seine Ergebnisse zum Sukkot-Fest in biblischen und außerbiblischen Texten aus der Zeit von ca. 600-100 v. zusammen.
Die Untersuchung zur Interpretation des Festes in der Zeit zwischen 100 v. und 500 n. setzt mit der Untersuchung von Texten der Autoren Philo von Alexandria, Josephus, Pseudo-Philo, Plutarch, Tacitus ein. Sodann kommt die Mischna (Traktat Sukkah) zu Wort. Da 70 n. der Tempel in Jerusalem zerstört wurde und das Fest im jüdischen Raum noch darüber hinaus an Bedeutung behielt, muß das Sukkot-Fest schon vor der Tempelzerstörung nicht bloß am Jerusalemer Tempel, sondern in der ganzen `jüdischen´ Welt, auch fern vom Tempel gefeiert worden sein. Wie Münzfunde zu den Revolten 66-70 bzw. 132-135 zeigen, sind das Fest und seine Bräuche ein besonderes Zeichen jüdischer nationaler Identität. Die frühe christliche Literatur erwähnt dieses Fest bloß einmal explizit (Joh 7), wobei die vorherrschende eschatologische und tempelorientierte Sicht die Person Jesus im Johannes-Evangelium insgesamt betrifft. Ein kurzer Ausblick auf die spirituellen, moralischen, z.T. eschatologischen Interpretationen des Festes bei den frühen christlichen Kirchenvätern (Methodius von Olympus in Lycia bis Augustinus) schließt die Untersuchung ab.
Überblickt man die vorgelegte Monographie, so ist dem Autor dafür zu danken, daß er sich einer so komplexen Forschungsmaterie über die Grenzen wissenschaftlicher Einzeldisziplinen hinweg genähert hat. Diese Sicht vermeidet so manchen Kurzschluß, der sich aus einer isolierten Einzeltextanalyse ergeben kann. Freilich mag man bezüglich einzelner Textanalysen anderer Meinung sein. Für mich drängt sich z.B. die Frage auf, ob die in der Wissenschaft gängige historische Rekonstruktion einer nachexilischen priesterlichen Gruppe gegenüber einer eher `laikalen´ Gruppe aus der Gola zutreffend ist, wenn dies lediglich aus Analysevorschlägen zu einzelnen Texten ermittelt werden kann. Zumindest die Bücher Esr, Neh in ihrer Endgestalt vermitteln einen anderen Eindruck: Die Gola-Heimkehrer werden von allem Anfang an als priesterliche Gruppe charakterisiert. Demnach geht es dabei v.a. um Anrechte auf priesterliche Funktionen am Jerusalemer Tempel, auch von Seiten der Gola-Heimkehrer. Diese haben nicht eine eigene Ideologie entwickelt, sondern suchten am Tempelkult und dessen ideologischer Konzeption mitzuwirken.
Eine andere kritische Detailbeobachtung betrifft die Deutung des Textes von Tacitus (Hist. V,5), der relativ unpräzise von jüdischen Bräuchen anläßlich des Sukkot-Festes berichte. Diese Informationslage, die Tacitus in seinem Werk bietet, ist aber nicht in allen Fällen auf mangelndes Wissen seinerseits zurückzuführen, es hat vielmehr System, nämlich: Der Umbruch der römischen Republik zum Prinzipat bringt eine Weltmacht, die meint auf Senatoren des Ranges und Wissens eines Tacitus verzichten zu können, in eine dramatische Schieflage des Informationsstandes. Von dieser Perspektive aus wäre auf den Kontext von Hist V,5 noch näher einzugehen. Zudem ist noch zu beachten, daß sich gerade Tacitus als Kenner und Wertschätzer fremder Kulturen ausweist, freilich nicht ohne ideologischen Hintergrund (vgl. `Germania´). Nicht Tacitus, sondern der uneinschränkbare, wahnwitzige Nero ließ Juden und Christen als Fakeln in Rom brennen. Insofern ist es durchaus möglich, daß Tacitus, ein Zeitgenosse des in Rom schreibenden jüdischen Autors Josephus Flavius, über jüdische Bräuche relativ gut informiert gewesen ist, dies jedoch in seinem Werk gemäß seiner Geschichtskonzeption nicht verwenden wollte.
Diese und ähnliche Beobachtungen, die dem Rezensenten bei der Lektüre der Monographie Ulfgards gekommen sind, sollen jedoch den Wert dieser ausgezeichneten Untersuchung keineswegs schmälern. Vielmehr gilt dem Rezensenten diese Arbeit als Paradebeispiel für weitere Untersuchungen zu anderen Festen, aber auch zu neuen Themen.
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