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Recensione: STEPHAN ERNST, Petrus Abaelardus

 
 
 
Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: STEPHAN ERNST, Petrus Abaelardus, in Antonianum, 83/1 (2008) p. 140-142 .

Petrus Abaelardus wird 1079 in Le Pallet bei Nantes als Sohn eines Rit­ters geboren. 1095 beginnt er in Loches das Studium der Dialektik, das er ab 1100 in Paris fortsetzt. Wegen der Streitigkeiten mit seinen Lehrern und Kommilitonen gründet er 1102 am königlichen Palast in Melun und wenig später - näher bei Paris - auf einem königlichen Lehen in Corbeil eine eigene Schule für Dialektik. 1108 nimmt er in Paris das Studium der Philosophie auf und beginnt in Notre Dame und Melun auch mit der Lehrtätigkeit. Aber wieder veranlassen ihn aufkommende Streitigkeiten, auf dem Genove-faberg bei Paris, ungefähr an der Stelle, wo später die Sorbonne gegründet wird, eine eigene Schule zu eröffnen. 1113 widmet er sich dem Studium der Theologie. Von 1114 bis 116 lehrt er in Notre Dame als Kanoniker und wahrscheinlich auch als Vorsteher der Schule Dialektik und Theologie. In diese Zeit fällt sein Liebesverhältnis zu seiner 17-jährigen Privatschülerin Heloi'se, aus der ihr Sohn Astrolabius hervorgeht. Fulbert, der Onkel He-loi'ses und ebenfalls Kanoniker von Notre Dame, lässt ihn aus Rache ka­strieren. Heloi'se tritt in das Kloster von Argenteuil und Petrus Abaelardus in das von St. Denis ein. 1121 wird seine Trinitätslehre von der Synode von Soissons verurteilt. 1127 wird er zum Abt von St. Gildas de Rhuys in der Bretagne gewählt. 1132/1133 beginnt er wieder mit der Lehrtätigkeit auf dem Genovefaberg bei Paris. 1141 erfolgt eine erneute Verurteilung seiner Trinitätslehre auf der Synode von Sens. Seine Berufung in Rom wird wegen der gegen ihn gerichteten Intervention Bernhards von Clairvaux verworfen. 1142 stirbt er, mit Bernhard versöhnt, als einfacher Mönch in St. Marcel bei Chalon-sur-Saone, einem Priorat von Cluny. 1164 stirbt auch Heloi'se, die seit 1129 Priorin ihres Klosters war. Seit 1817 ruhen die Gebeine beider auf dem Friedhof Pere Lachaise in Paris.

In vier Kapiteln wird das Werk des Petrus Abaelardus vorgstellt: I. Peter Abaelard - Leben und Werk im Kontext seiner Zeit (S. 11-32); II. Einzelne Werkbeschreibungen (S. 33-124); III. Rezeption und Wirkung der Werke (S. 125-138); IV Ausgewählte Texte zu zentralen Themen (S. 139-173). Petrus Abaelardus hat über lange Zeit immer wieder an einer theologia, einer Abhand­lung der Gotteslehre, gearbeitet. Geht es ihm anfänglich lediglich darum, die christliche Lehre von der Einheit des göttlichen Wesens und der Dreiheit der Personen in Gott konsistent darzustellen und gegen Bestreitungen mit rationa­len Argumenten zu verteidigen, so entsteht später der Plan, diese Trinitätslehre zu einer umfassenden, nach den Themen Glaube, Liebe, Sakramente geglieder­te summa theologiae auszubauen. Da sich in der Folgezeit aber die Sentenzen des Petrus Lombardus durchsetzen und zum maßgeblichen Schulbuch werden, das von allen Theologen des Mittelalters als Grundlage des Unterrichts genommen und kommentiert wird, sind sie es, die den Ertrag der theologischen Diskussion des 12. Jhs. weitergeben. Der Einfluss des Petrus Abaelardus bleibt dagegen gering. Sein Beitrag für die Entwicklung der scholastischen Methode besteht indessen vor allem darin, das Sic-et-non-Verfahren und die Formen der quaestio und disputatio in der lectio divina weiter ausgearbeitet zu haben. Seine logischen Schriften stellen den Höhepunkt der Entwicklung der Dialektik innerhalb der Frühscholastik dar. Allerdings bilden sie zugleich auch ihren Abschluss. Denn seine Kommentare beziehen sich lediglich auf die sogenannte logica vetus. Die weitere Entwicklung der scholastischen Methode wird dagegen von der logica nova bestimmt und artikuliert sich in: Fragestellung; Argumente gegen die ei­gene Position: videtur quod non; Väterzitat, das die eigene Auffassung bestätigt: sed contra; Begründung der eigenen Auffassung durch Begriffsunterscheidun­gen und Begriffsklärungen: solutio, corpus articuli, respondeo dicendum; Entkräf­tung der anfänglichen Einwände: adprimum, ad secundum. Grundlegend für den Beitrag des Petrus Abaelardus zur Verwissenschaftlichung der Theologie ist auch das vorausliegende Wirklichkeitsverständnis, das sich in seiner Univer­salientheorie ausdrückt. Mit der Deutung der Universalien als Einsetzung des Menschen ist ansatzhaft eine Ontologie, die eine feste vorgegebene Wesensord­nung des Kosmos und aller Dinge beinhaltet, und eine Konzeption mensch­licher Erkenntnis, die lediglich ein Ablesen dieser Ordnung bedeutet, durch­brochen. Damit öffnet er den Weg für den späteren radikalen Nominalismus des Wilhelm von Ockham. Das Problem der Ausführungen zur Trinitätslehre, das zu seiner Verurteilung geführt hat, liegt letztlich darin, dass er durch die Benennungen Macht, Weisheit und Güte, die realen Ursprungsverhältnisse der drei Personen untereinander - zeugen / gezeugt werden, hauchen / gehaucht werden -, also die Proprietäten der Personen, bezeichnen will, obwohl es sich um Eigenschaften handelt, die von allen drei Personen in Gott aufgrund des einen Wesens in gleicher Weise ausgesagt und den einzelnen Personen lediglich aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit im Sinne von Appropriationen zugeschrie­ben werden können.

Umfangreiche ausgewählte Texte zu zentralen Themen (S. 139-173), eine Zeittafel zum Lebenslaufund zur Datierung der Werke (S. 174-177), ein um­fassendes und detailliert gegliedertes Literaturverzeichnis (S. 178-203) sowie ein Register der Personen und Sachen (S. 204-213) erweisen sich als sehr hilf­reich, um näher in das Werk des Petrus Abaelardus einzudringen. Stefan Ernst von der Universität Würzburg, der mehrere wichtige Studien zu Petrus Abae-lardus veröffentlicht hat, hat hier aus seiner reichen Erfahrung im Umgang mit diesempremier homme moderne (M.-D. Chenu) geschöpft.


 


 



 
 
 
 
 
 
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