Schöch Nikolaus ,
Recensione: Zenon Card. Grocholewski, Universitatea Azi. Universität Heute, Prefaţă de Andrei Marga,
in
Antonianum, 86/1 (2011) p. 156-162
.
Der vorliegende Band wurde aus Anlass der Verleihung des Doktorats honoris causa an seine Eminenz, Zenon Kardinal Grocholewski, von der Babeş-Bolyai Universitat in Cluj (Klausenburg), Rumanien, herausgegeben und enthalt eine Einfuhrung des Philosophen und Rektors der Universitat Cluj, Andrei Marga, ein Interview sowie funf Vortrage, welche Kardinal Grocholewski in Cluj und in Bukarest gehalten hat. In seiner Einfuhrung wurdigt Andrei Marga das Wirken Kardinal Grocholewskis (englisch: pp. 7-10, rumanisch: 11-14), der gegenwartig in seinem Amt als Prafekt der Kongregation fur das katholische Bildungswesen fur weltweit 1600 katholische Universitaten und 20.000 katholische Schulen zustandig ist. Das erste Referat beschaftigt sich mit der Rolle der Theologie innerhalb der Universitat (in franzosischer Sprache pp. 15-31; in rumanischer Sprache pp. 33-46) und wurde am 13. Juni 2006 bei der Verleihung des Doktorats honoris causa durch die Universitat Bukarest gehalten, die uber drei theologische Fakultaten verfugt: eine katholische, eine orthodoxe und eine protestantische. Der Vortrag baut vor allem auf den Dokumenten des Apostolischen Stuhls auf, doch dehnt Kardinal Grocholewski seine Uberlegungen auf alle christlichen theologischen Fakultaten aus. Neben den theologischen Fakultaten gibt es andere kirchliche Fakultaten („Facultes ecclesiastiques“), die sich mit Einzelfragen in Bezug auf die christliche Offenbarung oder auf die missionarische Evangelisierung durch die Kirche, auf das Kirchenrecht, die christliche Philosophie, die Kirchengeschichte, etc. beschaftigen. Was der Kardinal fur die Theologie betont, gilt im Wesentlichen auch fur die kirchlichen Fakultaten. Die theologischen Fakultaten stehen im Dienst der katholischen Kirche bzw. nichtkatholischer christlicher Gemeinschaften. Sie bilden ein integrales Element fur den Verkundigungsdienst der Kirche und sind von ihrer Natur her berufen, mit den Leitungsorganen der katholischen Kirche und anderer kirchlicher Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Alle Lehrenden katholisch- theologischer Fakultaten bedurfen vor der Verleihung eines Lehrauftrags oder bevor sie mit einer hoheren didaktischen Aufgabe betraut werden, des „Nihil obstat“ des Apostolischen Stuhls, um die kirchliche Dimension der Lehre zu garantieren. Kardinal Grocholewski prasentiert die Ubereinstimmung mit der Lehre der eigenen Kirche bzw. kirchlichen Gemeinschaft als fur die Forschung und die Lehre der Theologie charakteristisch: die wahre Freiheit der Lehre bewegt sich innerhalb der Grenzen des Wortes Gottes wie es standig vom lebendigen Lehramt der Kirche verkundet wird. Die Tatsache, dass keine Einzelwissenschaft eine vollstandige Antwort auf die Frage nach dem Sinn geben kann, stellt ein grundlegendes Problem fur das Betreiben der Wissenschaft dar und verlangt die Verbindung der Forschung mit der Suche nach dem Sinn angesichts einer stets fortschreitende Spezialisierung in der gegenwartigen Entwicklung der Wissenschaft. Die Theologie regt standig zu einer nicht von Einzelinteressen geleiteten Suche nach der Wahrheit in allen ihren Dimensionen an. Eine solche Suche nach der Wahrheit dient der Wurde des Menschen und der Sache der Kirche, welche die innige Gewissheit hat, dass die Wahrheit ihre wirkliche Verbundete ist und dass Erkenntnis und Vernunft die Freiheit schutzen. Umgekehrt bereichern die Universitaten die theologischen Fakultaten. Naturlich kann auch eine theologische Fakultat, welche sich auserhalb der Universitat befindet, auf die von den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen gestellten Probleme antworten und Neues entdecken. Dennoch ist sie innerhalb einer Universitat auf eine unmittelbarere Weise gedrangt, sich dieser Aufgabe stellen. Kardinal Grocholewski stellt die Universitaten in ihrem kirchlichen Milieu und vor allem in ihrer Beziehung mit der Universitat dar. Damit diese Aktivitat fruchtbar werde, ist es notwendig, dass die Fakultaten auch unter wissenschaftlichem Gesichtspunkt entsprechend vorbereitet sind. Auch die theologischen Fakultaten an der Universitat Bukarest bemuhen sich um einen immer qualifizierteren Dienst. Kardinal Grocholewski wunscht sich, dass sie zur Einheit der Christen beitragen und dass diese Fakultaten anerkannte Gesprachspartner der universitaren Zentren und der Welt von Wissenschaft und Kultur, vor allem Rumaniens, sind. Kardinal Grocholewski hielt am 14. Juni 2006 an der Universitat von Cluj-Napoca den Vortrag unter dem Titel „Die Universitat angesichts der Globalisierung“ (franzosisch: pp. 47-60; rumanisch: pp. 61-71). Im November 2005 hatten die Papstliche Akademie der Naturwissenschaften und die Papstliche Akademie fur die Sozialwissenschaften gemeinsam im Vatikan ein Studienseminar mit einem ahnlichen Thema, namlich „Globalisierung und Erziehung“, veranstaltet. Das Schlussdokument der Tagung war als „Statement on Globalization and Education“ in englischer Sprache veroffentlicht worden. Das Bildungsniveau ist in der Weltbevolkerung sehr ungleichmasig verteilt. In den entwickelten Landern erscheinen 84 % der wissenschaftlichen Veroffentlichungen und 94 % der neuen Patente. Deshalb sind die Universitaten in den Entwicklungslandern dem Risiko ausgesetzt, zu reinen Konsumenten des Wissens zu werden, die von den Zentren in den entwickelten Landern immer mehr abhangig sind. Es geht um eine gerechte Orientierung der Globalisierung: Man muss vor allem auf der Wurde der menschlichen Person und daher auf der Tatsache bestehen, dass die Globalisierung in ihrem Dienst stehen muss. Die Globalisierung muss die Verschiedenheit der Kulturen in einer umfassenden Harmonie der Volker respektieren. Die Kulturen bilden die Schlussel, welche es erlauben, das Leben zu interpretieren. Die Globalisierung darf die Armen nicht um das Wertvollste bringen, das sie besitzen: ihre Kultur, ihren Glauben und ihre religiose Praxis. Die authentische religiose Uberzeugung bildet die deutlichste Offenbarung der menschlichen Freiheit. Kardinal Grocholewski wunscht eine Forderung der Globalisierung, die im Dienst der menschlichen Person steht, damit die Universitat zum Fortschritt der Menschlichkeit beitrage. Am 10. September 2007 hielt Kardinal Grocholewski den Vortrag uber „Wahrheit und Bildung“ (deutsch: 74-86; rumanisch: 87-96) beim Kongress: „Living in Truth, a Conceptual Framework for a Wisdom Society and the European Construction.“ „In der Wahrheit leben“ bedeutet eine der grosten Herausforderungen fur die Gegenwart, die Auswirkungen auf nahezu alle entscheidenden Bereiche der menschlichen Gesellschaft hat: Politik, Wirtschaftsleben, Forschung und Wissenschaft. Nur der standige Bezug zur Wahrheit verhindert ein Abgleiten in einen moralischen Relativismus oder einen Utilitarismus, die das Ziel der Bildung nur in dem sehen, was gerade nutzlich erscheint, sei es unter okonomischem Gesichtspunkt, sei es unter dem Gesichtspunkt der Indoktrinierung einer Ideologie. Papst Benedikt XVI. wies bei einer Pastoraltagung in der Diozese Rom auf den Erziehungsnotstand und die Bildungskrise sowie auf die stets schwierigere Weitergabe der Grundwerte des Lebens und eines entsprechenden Verhaltens an die jungen Generationen hin. In der Gesellschaft wurde aus dem Relativismus nur allzu oft das Credo gemacht. Kardinal Grocholewski analysiert die Gefahren und Probleme der gegenwartigen Bildungsreformen in Europa: Vermarktung und Verzweckung des Wissens und der Bildung, Abschied von den Bildungsidealen des Humanismus, der Aufklarung und der humboldtschen Universitat. Kardinal Grocholewski betont als Alternative zum Pessimismus das Motto: „In der Wahrheit leben“ und wendet es auf die Fragen der Bildung an. Wichtig ist die Erziehung zur Wahrheit. Der Wahrheitsbegriff darf jedoch nicht auf das beschrankt werden, was experimentell nachweisbar ist oder einem politischen bzw. wirtschaftlichen Zweck und Nutzen entspricht. Auch bei Verteidigern des humanistischen Bildungsideals findet sich eine Art Grundmisstrauen gegen die Moglichkeit des Menschen, absolute Wahrheiten zu erkennen oder gultig zur Sprache zu bringen. Es ist eine unrealistische Vorstellung, zu meinen, dass die Vernunft und eine rein humanistische Bildung ohne Bindung an absolute Wahrheiten, den Menschen zu dauerhaftem Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand fuhren konnen. Dies bewiesen die totalitaren Regime des 20. Jahrhunderts. Papst Johannes Paul II. erinnerte bereits 1985 an die Notwendigkeit der Erziehung und der Selbsterziehung. Der Zusammenhang zwischen der Freiheit des Menschen und der Wahrheit lenkt den Blick auf die Person und Gestalt Jesu Christi und damit auch auf das christliche Erbe Europas, von dem Papst Benedikt XVI. sprach. Es folgt die gedruckte Wiedergabe des Interviews mit Kardinal Grocholewski durch das Nationale Fernsehen (Franzosisch 97-107; 109-116). Er berichtet von seinem Besuch der katholischen „Assumption University“ von Thailand, wo der Anteil der Katholiken an der Bevolkerung bei 0.5 % liegt. Von den 20.000 Studenten sind nur ganz wenige Katholiken. Dennoch fuhrte die Tatigkeit der Universitat zu einer Zunahme des Interesses an christlichen Werten. Die kirchlichen Bildungseinrichtungen bemuhen sich um eine integrale Bildung der menschlichen Person. Es geht um die Sorge der Scholastik, die Person zu formen und nicht nur Begriffe und Kenntnisse zu vermitteln. Der Begriff der Universitat selbst bedeutet Interdisziplinaritat. Die Theologie kann von den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht unbeeinflusst bleiben. Sie muss mit jeder Wissenschaft in den Dialog treten. Die Interdisziplinaritat ist fur die integrale Bildung des Menschen erforderlich, der fahig werden soll, dem echten Fortschritt zu dienen. Kardinal Grocholewski hielt bei der Konferenz „Reason and Faith at the Beginning of the Third Millennium“, welche vom 9.-11. Oktober 2008 in Cluj in Zusammenarbeit mit der UNESCO stattfand, ein Referat zum Thema „Vernunft und Glaube, eine Gegenseitige Hilfestellung“ (Franzosisch 117-123; Rumanisch: 125-129). Die Religion verachtet nicht das Gefuhl, betont aber, dass sie weder das Kriterium der Wahrheit ist noch der Daseinsgrund der Religion. Nach der Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend, reagierten Papst Gregor VII. und seine Nachfolger angesichts der Enttauschung uber das Scheitern des Millenarismus und des passiven Wartens auf den Eingriff Gottes mit einer neuen Betonung der menschlichen Tatigkeit, um die zeitliche Realitat stets mehr Christus-konform zu machen, vor allem im Bereich der Naturwissenschaft und des Rechts. In der Folge entstanden in Europa die Universitaten, welche zu den schonsten Geschopfen der Kirche im Sinne der Aufwertung der Vernunft gehoren. Zugleich beschloss Papst Gregor VII., das Corpus Iuris civilis Justinians erneut studieren zu lassen, um ein Modell zu haben, welches die Erneuerung des kanonischen Rechts erlaubt und zu einer Neuorganisation der Kirche fuhrt. Anlasslich der Verleihung der Ehrendoktorwurde in Cluj hielt Kardinal Grocholewski am 20. Februar 2009 in deutscher Sprache einen Vortrag mit dem Titel: „Welche Universitat braucht Europa heute“ (deutsch: 133-158; rumanisch 159-181). Dabei unterstrich er die historischen Verbindungen zwischen Siebenburgen und Polen: Stefan Batory war zunachst Furst von Transylvanien und wurde dann zum Konig von Polen gewahlt. Ab dem 13. Jahrhundert wird das „studium generale“ als „universitas“ bezeichnet. Es geht nicht mehr nur um die Lehrenden und Lernenden als Subjekte der „Universitas“, sondern um das Objekt von Lehre und Forschung, namlich die Gesamtheit des moglichen Wissens. Es geht um die „universitas litterarum“, „studiorum“ oder „scientiarum“. Kardinal Grocholewski kritisiert das Preusische Universitatsmodell Wilhelm von Humboldts (1767-1835), das auch heute noch Anhanger findet. Zum einen ist die „Universitas“ im Sinne Humboldts nicht mehr universal, da sie an den Nationalstaat gebunden ist, zum anderen betont Humboldt das Individuum, welches das Ideal der grostmoglichen Bildung aus sich selbst und um seiner selbst willen entwickeln soll. Das Individuum soll einerseits weitgehend frei vom direkten Eingriff des Staates leben, andererseits auch moglichst ohne Sorge um dessen Geschicke. Diese Entfremdung zwischen privater Bildung und offentlichem politischen Leben wirkte sich, etwa in der Geschichte der deutschen Universitaten wahrend des Nationalsozialismus, fatal aus. Dann stellt sich Kardinal Grocholewski der Frage, welche Universitat Europa heute braucht. Trotz aller Schwierigkeiten spricht sich Grocholewski zugunsten des so genannten Bologna-Reformprozesses zur Errichtung eines europaischen Hochschulraumes aus, dessen erste Etappe im Jahr 2010 abgeschlossen wurde. Er wunscht sich Universitaten als Raum, in dem Forschung und Lehre auch in jenen Fachern ihren Platz finden, die keine kurzfristigen finanzielle Gewinne erwirtschaften und nicht primar auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Die Universitat in Cluj zahlt 53.000 Studenten und vier verschiedene Unterrichtssprachen mit einer bewusst europaischen Ausrichtung. Kardinal Grocholewski wehrt sich gegen die verbreitete Ansicht, die in einer klaren weltanschaulichen oder konfessionellen Profilierung einen Nachteil sieht. Untersuchungen in amerikanischen Universitaten zeigen, dass bessere Fuhrungspersonlichkeiten und verantwortungsbewusstere Glieder der demokratischen Gesellschaft in jenen Institutionen herangebildet werden, die eine klar konfessionelle oder weltanschauliche Identitat aufweisen. Dazu tragt auch die Prasenz der theologischen Fakultaten an den Universitaten Europas der Zukunft bei Kardinal Grocholewski setzt das Menschenbild der philosophischen Anthropologie von Karol Wojtyla voraus und nimmt haufig auf Ansprachen Papst Johannes Pauls II. und Benedikt XVI. Bezug. Der Band zeichnet sich durch die Vielzahl der verwendeten Sprachen aus: die Vortrage von Kardinal Grocholewski wurden zum Teil auf Franzosisch, zum Teil auf Deutsch gehalten und die Einfuhrung von Marga ist in englischer Sprache verfasst worden. Im Anschluss an jeden Text findet sich eine vollstandige rumanische Ubersetzung. Er wird in einem graphisch gut gestalteten Umschlag und mit sauberem Druck prasentiert. Die Korrektur der Druckfahnen wurde mit Ausnahme der in englischer Sprache verfassten Einfuhrung von Andrei Marga sorgfaltig durchgefuhrt. Die einzelnen Referate wurden mit Fusnoten versehen, sodass die wichtigsten von Kardinal Grocholewski verwendeten Quellen rasch gefunden werden konnen. In den im vorliegenden Band abgedruckten Referaten ruft Kardinal Grocholewski angesichts der Aufsplitterung und Fragmentierung des Wissens in immer weitergehend spezialisierte Einzelwissenschaften sowie einer zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Instrumentalisierung der Universitaten die Grundzuge des christlichen Bildungsideals sowie die Wichtigkeit der Prasenz der theologischen Fakultaten innerhalb der Universitaten zur Bildung einer Gesamtschau der Erkenntnisse in Erinnerung. Der Band gewinnt angesichts des Bologna-Reformprozesses zur Errichtung eines europaischen Hochschulraumes, an dem auch die kirchlichen Universitaten und die theologischen Fakultaten beteiligt sind, eine besondere Aktualitat.
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