Stamm Heinz-Meinolf ,
Recensione: Munera parva: studi in onore di Boris Ulianich,
in
Antonianum, 78/2 (2003) p. 397-402
.
Boris Ulianich, Professor der Geschichtsfakultät der Universität «Friedrich II.» in Neapel, hat in seiner Fakultät zusammen mit dem bereits verstorbenen Kollegen Vincenzo Cilento das Institut für Religionsgeschichtliche Studien gegründet und war auch lange Jahre dessen Direktor. Anlässlich seiner dreißigjährigen Lehrtätigkeit wollen ihm deshalb seine Kollegen, Schüler und Freunde diese Festschrift widmen, die sie bescheiden munera parva nennen. Das Werk umfasst zwei Bände mit insgesamt 54 Beiträgen.
Band I: Età antica e medievale
Bibliografia di Boris Ulianich (S. 11-17); M. Gigante, Che cosa è una raccolta di frammenti (S. 21-33); G. Casertano, «Logos», «dialeghesthai» e «ousia» nel «Teeteto» (S. 35-53); A. Salvatore, Due miracoli nel racconto poetico di Ovidio (S. 55-64); D. Gagliardi, Pagani e cristiani a confronto: il finalismo dell'esistenza (S. 65-69); M. Tortorelli Ghidini, Morfologie di Narciso (S. 71-84); F. Hahn, Politische, kulturelle und theologische Aspekte der ältesten Geschichte des Christentums (S. 85-91); M. Del Verme, Il digiuno bisettimanale degli «hypokritaì» e quello degli «altri» (S. 93-123); T. Piscitelli Carpino, La croce nei più antichi testi quartodecimani (S. 125-159); G. Jossa, Due osservazioni sul problema di Ippolito (S. 161-177); M. G. Mara, Storia ed esegesi nell'interpretazione di Phil 1,14-18 (S.179-189); S. Monti, Una lacuna nel commento di Asconio in Mil. p. 39, 10-15 C. (S. 191-198); S. D'Elia, Un testimone pagano dei «Christiana tempora»: Ammiano Marcellino (S. 199-218); F. P. Casavola, Lo spazio nell'esperienza giuridica del mondo antico (S. 219-225); A. V. Nazzarro, Ambrosiana XII: exemplum Annae <Vid. 4, 21-26> (S. 227-246); A. Milano, Sulla questione della verità in Sant'Agostino (S. 247-285); M. Annecchino, I temi dottrinali-esegetici nell'«Expositio in Iob» di Giuliano d'Eclano (287-309); E. Cavalcanti, Il «dovere della parola» nei Sermoni di Leone Magno (S. 311-324); D. Ambrasi, I rapporti tra l'Africa proconsolare e la Campania: riflessi nel santorale napoletano (S. 325-338); M. Pesce, Cum diuinitas patiatur diuersas religiones esse (S. 339-361); P. Santorelli, La Vita Radegundis di Baudonivia: tra biografia e agiografia (S. 363-381); A. Garzya, Un caso di variante d'autore in Teodoro Studita (S. 383-385); P. Mazzarella, L'ascesa a Dio in S. Anselmo d'Aosta e in S. Bonaventura da Bagnoregio (S. 387-404); H. Feld, Die Technik der «verdeckten Mitteilung» in den frühen franziskanischen Quellen (S. (405-418); R. Giglio, Una probabile fonte biblica per il «contrappasso» dantesco (S. 419-426); G. Vitolo, Vescovi e diocesi nel Mezzogiorno medievale: lo stato delle ricerche (S. 427-441).
Band II: Età moderna e contemporanea
G. Luongo, Il poemetto di Bernardino Siculo su G. Gennaro (S. 9-32); L. Monti Sabia, Dalla Bucolica alla Piscatoria: per la storia della «Piscatoria V» di Iacopo Sannazaro (S. 33-63); S. Nitti, Sacerdozio universale e ministero del-le donne in Lutero (S. 65-96); S. Cavallotto, Sulla fede orante di Lutero, pastore d'anime (S. 97-139); A. Valerio, Caterina Cibo e la spiritualità savonaroliana attraverso il magistero profetico di Domenica da Paradiso (S. 141-154); M. Cassese, Galeazzo Florimonte e la predicazione: un'analisi dei suoi sermonari (S. 155-173); P. M. Branchesi, Fra Paolo Sarpi commissario e visitatore della Provincia di Romagna dei Servi di Maria nel 1589 (S. 175-201); U. Parente, La confessione dei peccati nei «Commentarii in Euangelicam Historiam» di Alfonso Salmerón (S. 203-249); M. Mancino, Autorità episcopale ed esenzioni nel-l'Italia post-tridentina: note sui rapporti tra il Cappellano maggiore del Regno di Napoli e gli arcivescovi della Capitale (S. 251-275); G. Boccadamo, Un palombaro di «palombe sante» (S. 277-315); P. Scaramella, Il matrimonio legato (S. 317-348); M. Miele, Religiosità popolare e società in un registro di ex-voto del Cinquecento ancora inedito (S. 349-378); G. Romeo, Note sui confessori delle monache nella Napoli moderna (S. 379-396); K. O. Frhr. von Aretin, Die Verhandlungen des Bischofs von Wiener Neustadt, Christoph de Rojas y Spinola, um die Vereinigung der lutherischen Konfession mit der katholischen Kirche (S. 397-418); P. Giannantonio, Leopardi «cristiano» (S. 419-433); G. Cacciatore, Hegel e la religione nell'interpretazione di Wilhelm Dilthey (S. 435-451); A. Agnoletto, Da «Gli Eretici d'Italia» di Cesare Cantù a Lutero antisemita (S. 453-467); E. Del Basso, Problematiche révilliane (S. 469-485); R. Ciappa, Non potestis portare modo: storia e rivelazione nel Carteggio Loisy-Blondel (S. 487-503); G. Cantillo, Storicismo e religione nel pensiero di Ernst Troeltsch (S. 505-518); P. Colella, Giovanni Amendola e il Partito Popolare di Luigi Sturzo <1919-1925> (S. 519-533); F. Tessitore, Sulle pagine inedite degli Studi di Leone Caetani (S. 535-545); F. Donadio, Critica dell'oggettivazione e interpretazione esistenziale della gnosi in H. Jonas (S. 547-568); D. Jervolino, Filosofia analitica e fenomenologia ermeneutica: questioni di metodo (S. 569-585); R. Vinke, Peter Manns <1923-1991> als katholischer Lutherforscher (S. S. 587-603); G. Lavian, «La gloria di Dio è l'uomo felice»: incontro con José Maria Pires, vescovo afrobrasiliano (S. 605-633); A PROPOSITO DI «RIFORMA E RIFORME»: W. Brandmüller, Postille a «Riforma e Riforme» (S. 637-642); M. Marcocchi, Storiografia, teologia e filologia (S. 643-648); S. Rostagno, La Riforma in Italia (S. 649-654).
Die Themen greifen wichtige Schwerpunkte der gesamten Kirchengeschichte auf von den ersten Jahrhunderten angefangen bis in die heutige Zeit. Aus der Fülle können hier nur einige wenige Beiträge, vorwiegend aus dem Bereich der Erforschung der Reformationsgeschichte sowie der Ökumenik, vorgestellt werden.
Stefano Cavallotto widmet sein Augenmerk dem Seelsorger und Beter Martin Luther. Obwohl ein «geschworener Doktor der Theologie», sucht Luther doch die Kluft zu schließen zwischen schola und vita, zwischen doctrina und experientia. Den von der Heilsanfechtung bedrängten Christen ermutigt er, bereitwillig den Willen Gottes zu erfüllen, gern auch die Leiden zu ertragen und nicht sich in menschlicher Weise selbst zu bewerten, sondern sich voll Vertrauen dem Urteil des göttlichen Vaters zu überlassen. Den Christen in der letzten, schwersten Anfechtung angesichts des Todes lädt er ein, den Hinübergang mit dem und in dem am Kreuze sterbenden Christus zu durchleben, fromm die Zeichen des Heils zu empfangen und den Glauben durch Gottes untrügliche Zusage zu stärken. Die christliche Gemeinde ihrerseits soll durch den Gottesdienst und die Unterweisung zur Kenntnis des rechten Glaubens, zur Entdeckung des Evangeliums und zu einem Leben gemäß dem göttlichen Gesetz geführt werden. Ziel des Gottesdienstes ist es, dass das Wort Gottes «ym Schwang gehe». Gute Hilfen dabei sind die Katechismen, die die Aussagen des Evangeliums zusammenfassen, und die geistlichen Lieder. Grundlage von allem aber ist das Gebet. Luther selbst war ein eifriger Beter. Jeden Tag verbrachte er lange Zeit im Gebet. Veit Dietrich schreibt über ihn an Melanchthon: «Nullus abit dies, quin ut minimum tres horas, easque studiis aptissimas in orationibus ponat». Gott selbst wünscht es, dass sich der Christ im Gebet an ihn wendet, und verspricht, das Gebet zu erhören. So darf der Christ gerade in seiner Schwachheit und Unwürdigkeit sicher sein, von Gott erhört zu werden: aus reiner Barmherzigkeit und aus reiner Gnade. Selbst wenn Gott fern zu sein scheint, soll der Christ vertrauensvoll weiterbeten, ohne die Hoffnung zu verlieren. Beim Gebet wird der Gläubige begleitet von der ganzen Gemeinschaft der Heiligen und vor allem von Christus. Ja es ist Christus selbst, der durch den Heiligen Geist im betenden Gläubigen betet und ihn in sein priesterliches Gebet vor dem Vater aufnimmt. Was aber die Erfüllung der demütigen Bitten angeht, so weiß die göttliche Weisheit sehr viel besser als der Mensch, was dem Menschen zum Heile dient. In der Tradition der Kirchenväter und des altkirchlichen Mönchtums sieht Luther das Wesen des Gebetes im vertrauensvollen Erheben des Herzens zu Gott, also in einem inneren und geistlichen Geschehen. Die Gebetstexte und auch die Gebetshaltungen können dabei als «anreytzung und beweginge» des Herzens dienen. Der edelste Gebetstext ist das Gebet des Herrn, das Vaterunser. In ihm ist alles enthalten, «was der mensche bedarff an leib und seel, hie und dort». Für Luther ist «das recht beten das höchste schwerste werck auff erden, höchster Gottes dienst und ubung des glaubenns».
Karl Otmar Frhr. von Aretin beschäftigt sich mit den Bemühungen des Bischofs von Wiener Neustadt Cristóbal de Rojas y Spinola um eine Wiedervereinigung im Glauben. Der um 1626 in Roermond aus altspanischem Adel geborene Franziskaner war Provinzial der thüringischen Ordensprovinz, dann Generaldefinitor (Mitglied des Generalrates) seines Ordens und wurde 1666 Bischof von Knin in Dalmatien, 1687 Bischof von Wiener Neustadt. Als 1670 viele ungarische Protestanten nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes nach Sachsen flohen, schlug Kurfürst Johann Georg II. eher zufällig in Verhandlungen mit dem Franziskanerbischof den Versuch einer Annäherung der Konfessionen vor. Rojas trug die Anregung Kaiser Leopold I. vor, der den Gedanken aufgriff und Rojas mit kaiserlichen Empfehlungen an die Fürstenhöfe von Hannover, Lüneburg und Berlin sandte. 1691 ernannte der Kaiser ihn zum allgemeinen Bevollmächtigten für die Unionsfrage in Österreich-Ungarn. Obwohl sich auch noch Gottfried Wilhelm Leibniz tatkräftig in die Bemühungen einschaltete - er weilte sogar fast ein Jahr in Rom, wo ihm Papst Innozenz XI. die Stelle des Bibliothecarius der Vatikanbibliothek anbot und ihm im Falle einer Konversion zum Katholizismus auch die Ernennung zum Kardinal in Aussicht stellte (der Bibliothecarius der Vatikanbibliothek ist seit Julius III. <1550> stets ein Kardinal) -, scheiterten alle Beratungen letztendlich an der Frage der Anerkennung des Trienter Konzils. Rojas starb am 13.3.1695 in Wiener Neustadt. Zwar beauftragte Kaiser Leopold I. den Nachfolger Rojas, Franz Anton Graf Buchheim, erneut mit der Weiterführung der Verhandlungen, aber trotz großer Bereitschaft der Protestanten zum Entgegenkommen stieß ihre als Gegenleistung geforderte Aufhebung der auf dem Trienter Konzil ausgesprochenen Verurteilung der Protestanten bei Innozenz XI. auf eisige Ablehnung. 1698 wurden die Verhandlungen eingestellt. Die 1688/1689 von Rojas zusammen mit Leibniz verfasste Denkschrift für den Kaiser: Secreta Relatio: origo ac status praesens Commissionis Episcopi Neostadiensis circa reunionem Protestantium cum Romana Ecclesia, wird in einem beigefügten Anhang zum ersten Mal vollständig veröffentlicht (S. 406-418).
Attilio Agnoletto weist auf Cesare Cantù hin, der 1873 Direktor des Staatsarchivs in Mailand wurde und der in seinem Werk Gli eretici d'Italia bereits versucht hat, den Irrgläubigen objektiv, mit Verständnis und mit Achtung zu begegnen. Cantù berichtet, dass ihm eines Tages ein lutheranisches Buch - «un libro luterano» - mit dem Titel Contra Judaeos gebracht worden sei. Er habe es dem Inquisitor vorgelegt, der es ihm mit der Bemerkung zurückgegeben habe, dass, wenn der Autor nicht ein so übler Mensch gewesen wäre, das Werk sehr gut wäre. Denn es enthalte einiges, was dem entspräche, wie er selbst gegen diese Feinde des Glaubens vorzugehen pflege, und es bringe gute Argumente und Zitate von Autoritäten, die die Juden zur Umkehr veranlassen könnten. Der Inquisitor habe ihm das Werk überlassen mit dem Vorschlag, es aufzubereiten und zu veröffentlichen. Dann sei aber nicht mehr darüber gesprochen worden. Agnoletto glaubt, dass sehr viel dafür spreche, dass es sich bei dem Buch um Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen in der Übersetzung des Justus Jonas De Judaeis et eorum mendaciis gehandelt habe. Falls dem so ist, suchte also Cantù, Luther gerecht zu werden und ihn nicht zu missbrauchen.
Ein halbes Jahrhundert später jedoch, so muss Agnoletto hinzufügen, wurde Luther dann aber doch gerade mit dieser Schrift bewusst missverstanden und missbraucht. Das Werk wurde von den Nationalsozialisten aufgegriffen und im Jahre 1936 zusammen mit anderen «antisemitischen» Schriften Luthers in einer von dem protestantischen Theologen Walther Linden erstellten modernen deutschen Übersetzung veröffentlicht. In der Einführung preist Linden das Urteil Luthers als unvergleichlich resolut in einer historisch entscheidenden Frage. Mit seinem hohen Niveau bilde das Urteil Luthers ein wertvolles Erbe des ewigen Deutschtums.
Rainer Vinke würdigt Leben und Werk des wohl größten katholischen Lutherforschers aller Zeiten Mons. Dr. Dr. h.c. Peter Manns <1923-1991>. Im Jahre 1951 kam Manns im Alter von 28 Jahren zu Joseph Lortz, dem in den Jahren 1939-1940 mit seinem Werk Reformation in Deutschland auf katholischer Seite der Durchbruch zu einem neuen Lutherverständnis gelungen war und der 1951 in Mainz das Institut für Europäische Geschichte mitbegründet hatte und Direktor der Abteilung Abendländische Religionsgeschichte geworden war. Manns wurde zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Stellvertreter und später der zweite Nachfolger von Lortz. Durch Lortz angestoßen, fand Manns zur patristisch-monastischen Theologie Bernhards von Clairvaux und entdeckte eine große Nähe im theologischen Denken Bernhards und Luthers «an der Scholastik vorbei» (Manns), ja in starker Frontstellung gegen die Scholastik. Wie Bernhard gegen die Frühscholastik kämpfte, so Luther gegen die Spätscholastik, nur dass es Bernhard mit den ersten Ansätzen der Scholastik, Luther dagegen mit deren ganzem Gewicht zu tun hatte, sodass die reformatorische Wiederentdeckung des im Grunde Urkatholischen durch Luther, von der bereits Lortz gesprochen hatte, in den Augen Manns' ein derartiges Ausmaß erreichte, dass man ihr «den Charakter einer geschichtlichen und selbstverständlich einer kreativ-originalen Leistung» (Manns) zusprechen muss. Zentrales Thema für Luther war es, der Liebe wieder den rechten Stellenwert zuzuweisen: Nur die fides absoluta, der Glaube allein, rechtfertigt, aber einzig derjenige Glaube ist echter Glaube, der nach der Rechtfertigung zur fides incarnata wird, der nach erlangter Rechtfertigung in dankbarer Gesinnung Werke der Liebe hervorbringt. Vinke resümiert: «Der Glaubenstheologe Luther... ist demnach im Tiefsten ein Theologe der Liebe». - «Es war Peter Manns' tiefe Überzeugung, dass hier die eigentliche Mitte von Luthers Theologie zu finden ist» (S. 594-595).
Im Jahre 1983 unterschied Gottfried Maron drei Typen katholischer Lutherforschung: 1) Luther als eine katholische Möglichkeit (Pesch); 2) Luther als eine katholische Notwendigkeit (Brandenburg); 3) Luther als eine katholische Wirklichkeit oder gar eine katholische Selbstverständlichkeit (Manns). Vinkes Beitrag, verfasst mit großer Sachkompetenz und treffsicherer Analyse des Denkens von Peter Manns, darf als ein Meilenstein für die katholische Theologie und Ökumenik angesehen werden. Hinter die hier in überzeugender Zusammenschau dargebotenen Erkenntnisse Peter Manns' über die wahre Theologie Martin Luthers, des großen gemeinsamen «Vaters im Glauben» (Manns), kann in Zukunft keine katholische Theologie und keine katholische Ökumenik mehr zurück.
Diese wenigen Hinweise müssen hier genügen. Aus ihnen erhellt, welch reiche Gabe Boris Ulianich überreicht wurde. Leider stören nicht wenig die zahlreichen Trennungsfehler vor allem in den deutschen Beiträgen. Offensichtlich haben die Bearbeiter in naiver Unbekümmertheit die beiden Bände durchgehend vom Computer unter Anwendung der italienischen Trennungsregeln setzen lassen. Dabei hätte man wegen der vielen fremdsprachlichen Zitate in den italienischen Artikeln nicht einmal diese Beiträge einfach dem Computer mit seinen italienischen Trennungsregeln anvertrauen können.
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