Stamm Heinz-Meinolf ,
Recensione: VÁCLAV VOK FILIP, Einführung in die Heraldik (Historische Grundwissen-schaften in Einzeldarstellungen, Nr. 3),
in
Antonianum, 78/3 (2003) p. 597-601
.
Im Vorwort nennt Filip das Ziel seiner Arbeit: «Die meisten heraldischen Werke konzentrieren sich vor allem darauf, das Wappenwesen als Teil der Geschichte bzw. Kunstgeschichte darzustellen, und nach der Erklärung der Grundregeln der Heraldik widmen sie sich der graphischen Seite dieser schönen Wissenschaft, wobei dann überwiegend nur grundlegende heraldische Werke in den bibliographischen Angaben aufgeführt werden. Selbstverständlich bringt auch dieses Buch eine Übersicht über die Entstehung, Entwicklung und die Regeln der Wappenkunde; darüber hinaus möchte ich aber eine Darstellung der Heraldik präsentieren, die, so weit es möglich ist, für jeden eine Literaturangabe bietet» (S. 9).
Das Werk ist in sieben Sachkapitel unterteilt: 1. Einführung (S. 11-31); 2. Das Heroldswesen (S. 32-47); 3. Das Wappen (S. 48-77); 4. Besonderheiten der Heraldik in den einzelnen Ländern und Institutionen (S. 78-86); 5. Das Wappenrecht (S. 87-88); 6. Nebengebiete der Heraldik (89-92); 7 Der Wappenschwindel (S. 93-94). Ein Anhang mit besonders markanten heraldischen Beispielen aus der Vergangenheit und einer Auflistung der westeuropäischen und nordamerikanischen heraldischen und genealogischen Vereine bzw. Gesellschaften (S. 95-100), eine umfangreiche Bibliographie (S. 101-123), ein deutsch-französisches Glossar mit Erklärung der heraldischen Fachausdrücke (S. 124-130) sowie ein alphabetischer Namens- und Sachindex (S. 131-134) runden die Ausführungen ab.
«Die Heraldik ist die Lehre von den Wappen und Zeichen: das heißt über ihre Entstehung, ihre Geschichte, ihre Form und über die Art, sie graphisch darzustellen. Aus diesem Grund ist die Heraldik gleichzeitig eine Wissenschaft und eine Kunst („Wappenkunde“ und „Wappenkunst“)» (S. 11). Damit ein Wappen aufgrund einer Beschreibung eindeutig erkannt und bestimmt werden kann, müssen die im Wappen verwendeten Zeichen, unabhängig vom Zeitstil oder von der Zeichenweise des Künstlers, sowohl in der Figur wie auch in den Farben immer gleich sein.
Wesentlicher Bestandteil des Wappens ist der Schild. Helm, Helmzier, Schildhalter und andere Prunkstücke sind ausschmückende Beigaben. Die Wappenbilder sind ursprünglich wahrscheinlich Weiterentwicklungen der Eisenbeschläge der Schilde. Wann sich aus den einfachen, meist einfarbigen Bannern und aus den schlichten Schilden solche mit besonderen Wappenzeichen entwickelt haben, ist schwer zu bestimmen. Die Zeit der Kreuzritter dürfte aber dafür besonders geeignet gewesen sein. Denn die Kreuzfahrer kamen mit der hochstehenden byzantinischen Kultur in Berührung und erlebten, wie sich die byzantinischen Heere unter besonderen Feldzeichen versammelten. Das mag dazu geführt haben, dass sie dem Beispiel folgten, um sich in der Schlacht erkennen zu können und um ihre Zugehörigkeit zu einer geschlossenen, gemeinsam kämpfenden Ritterschar zu demonstrieren. Die bei den Byzantinern gesehenen Symbole wurden, in nach westlichem Kunstsinn vereinfachter und stilisierter Form, übernommen. Im Englischen heißt Wappen «coat of arms», also «Waffenrock/Wappenrock». Bei feierlichen Gelegenheiten, wenn die Ritter ohne Schild erschienen, trugen sie ihr Wappen auf dem Waffenrock/Wappenrock und sie wurden nach ihrem Rock gemeldet. Man kann sich fragen, ob die Entwicklung vom Stoff zum Schild oder vom Schild zum Stoff gelaufen ist.
Das Wappenwesen fand seine Blütezeit in der Zeit des europäischen Rittertums mit seinen großen Turnieren, von der Mitte des 12. bis zum Ende des 15. Jhs. Die Lehnsherren, die «Bannerherren», versammelten ihr Gefolge unter ihrem Banner. Aber im Laufe der Zeit veränderten die einzelnen Ritter das Bannerzeichen ihres Lehnsherren und kreierten so eigene persönliche Wappen. Im 14. Jh. erschienen die ersten Wappenbriefe, die die Wappenänderungen zu regeln suchten, ohne damit den «ungeregelten» Wappenänderungen Einhalt gebieten zu können. Ja, auch Bürger, Bauern und Städte begannen, sich Wappen zu schaffen und sie durch Wappenbriefe der Herrscher bestätigen zu lassen. Aus dem Wappen als Zeichen eines Standes wurde so allmählich eine Auszeichnung durch den Herrscher.
Aus Gründen der Klarheit, Eindeutigkeit und nicht zuletzt der ästhetischen Schönheit folgt das Wappenwesen bestimmten Gewohnheitsregeln, die sich als notwendig oder zumindest als sehr vorteilhaft herausgestellt haben und deshalb allgemein respektiert werden. Da die Fläche des Schildes eine enge Grenze für die Darstellung setzt, müssen alle verwendeten Zeichen zu sinnbildlichen Typen stilisiert werden, damit sie auch von weitem noch erkannt werden können. Oft wird deshalb nur der Teil eines Gegenstandes dargestellt, z.B. statt eines Wagens nur ein Rad, statt eines Pfluges nur die Pflugschar. Die Zeichen werden durch die Wahl von nur zwei Farben, heraldisch auch «Tinkturen» genannt, betont. Eine helle Figur muss auf einem dunklen Untergrund erscheinen und umgekehrt. Der Klarheit wegen werden nur kräftige Grundtöne benutzt, und zwar die so genannten «Metalle» Silber und Gold sowie die Farben Schwarz, Blau, Rot, Grün, seltener Purpur und Fleischfarbe, dazu als Besonderheiten Hermelin (weiße Fläche mit kleinen schwarzen Schwanzspitzen), Goldhermelin (Hermelin mit goldenem Untergrund) usw. Auf Metall sollte stets Farbe folgen und umgekehrt, was aber häufig nicht eingehalten wird. Die Figuren brauchen nicht in ihren natürlichen Farben dargestellt zu werden und werden es auch meistens nicht.
Die Wappenzeichen teilen sich in zwei Hauptgruppen: in die Heroldsbilder und in die gemeinen Figuren. Unter Heroldsbildern versteht man alle geometrischen Formen: von Teilungen (den so genannten senkrechten «Spaltungen» und waagerechten «Teilungen») über Balken (waagerecht), Pfählen (senkrecht), Leisten (schmale Balken) und Stäben (schmale Pfähle) bis hin zu Sparren, Spitzen, Schragen (Balken oder Leisten in Form eines Andreaskreuzes zusammengesetzt) und Kreuzen. Die gemeinen Figuren sind aus der Natur übernommen, sowohl aus der leblosen wie aus der lebendigen Natur und oft auch aus der phantasievollen Fabelwelt: Sonne, Mond, Sterne, Komet, Lilie, Rose, Seeblatt, Kleeblatt, Baum, Löwe, Leopard, Bär, Pferd, Biber, Eber, Krebs, Muschel, Fisch, Delphin, Adler, Falke, Amsel, Rabe, Schwan, Strauß, Gans, Hahn, Doppeladler (mit zwei abgewendeten Häuptern), Drache, Greif, Einhorn, Seelöwe, Meerjungfrau, Mann, wilder Mann, Mohr, Frau, Burg, Turm, Haus, Wagen, Schiff, Möbel, Waffen, Rad, Anker, Fenster, Fensterraute (Fensterrahmen in Rautenform mit herausgenommenem inneren Teil) usw.
Zur Beschreibung der Wappen entwickelte die Heraldik eine eigene Kunstsprache, den so genannten «Blason». Ihr Ziel ist die möglichst erschöpfende Wappenbeschreibung in denkbar kürzester Form. Das Wappen wird aus der Sicht des Schildhalters beschrieben, d.h. dass aus der Sicht des Betrachters rechts und links vertauscht sind.
Bei einer Figur wird ihre Stellung nicht genannt. Denn normalerweise sind alle Figuren nach rechts (aus der Sicht des Betrachters nach links) gewendet. Eine besondere Stellung und besondere Hervorhebungen, wie Bewehrung (Waffen, Schnäbel, Zähne, Hörner und Krallen der Wappentiere, meist in anderer Farbe), Krone, Halsband usw., werden genannt, so auch bei zwei Figuren ihre Position im Schild, ob übereinander (pfahlweise), nebeneinander (balkenweise) oder schräggekreuzt (schrägenweise). Bei mehr als zwei Figuren wird die Position durch Zahlen angegeben, z.B. 2:3:2:1: oben zwei Figuren, darunter drei, darunter zwei, darunter eine. Die Beschreibung beginnt in der oberen rechten (aus der Sicht des Betrachters linken) Ecke und endet mit der unteren linken Ecke. Zunächst wird die Farbe des Feldes angegeben, dann die Hauptfigur, danach eventuelle Begleitfiguren.
Ist der Schild in mehrere Felder aufgeteilt, so wird dies zunächst angezeigt, z.B. «geviert» (einmal senkrecht «gespalten» und einmal waagerecht «geteilt»). Ist ein Herzschild, auch Mittelschild oder Nabelschild genannt, vorhanden, so wird dieser gewöhnlich als erster beschrieben. Auf die Beschreibung des Wappenschildes folgt die der Helmzier und der Helmdecken, schließlich die der so genannten Prunkstücke wie Schildhalter, Banner, Wappenzelte, Wappenmäntel, Bilddevisen, Wortdevisen usw.
Allianzwappen sind zwei nebeneinander stehende Wappen. Sie «schauen sich an», weshalb das rechte immer spiegelverkehrt dargestellt wird. Bei Ehewappen werden zwei Wappen in einem gespaltenen (einmal senkrecht gespalten) oder gevierten Schild vereinigt, wobei in letzterem Fall das Wappen des Mannes im 1. und 4., das der Frau im 2. und 3. Feld erscheint. Wappenvereinigungen bedeuten die etwa durch Erbschaft angeregte Zusammenfügung von vielen Wappen auf einem Schild.
Bei den Schildformen unterscheidet man Normannenschild, gotischen Schild (die bekannteste Form), französischen Schild, italienischen Schild (Rosshauptschild), Tartsche, Rundschild, Damenschild (in Rautenform: auf der Spitze stehendes längliches Quadrat) usw.
Das Wappen der Lady Diana Princess of Wales, das posthum durch Wappenbrief des College of Arms approbiert wurde, kann wie folgt beschrieben, «blasoniert», werden: bekrönter Damenschild, von Silber und Rot geviert mit in 2 und 3 je einer Fensterraute von einem Schragen durchflochten gold, das Ganze mit einem Schrägbalken schwarz, mit drei Muscheln silber, belegt. Schildhalter: zwei Greifen Hermelin, beflügelt Goldhermelin, Schnabel und Klauen gold, bezungt und bewehrt rot, halsbekrönt mit Schildkrone mit einer Kette gold, die sich um den Körper schlingt. Krone über dem Schild: auf dem mit Edelsteinen verzierten Reif zwischen drei Kreuzen zwei Lilien.
Zu den charakteristischen Eigentümlichkeiten des kirchlichen Wappenwesens gehört es, dass an die Stelle von Helm, Helmzier und den anderen das eigentliche Wappen umgebenden Prunkstücken kirchliche Würdenzeichen, wie Tiara, Petrusschlüssel, Ombrellino, Mitra, Pilgerhut, Prälatenhut, Krummstab, Vortragekreuz usw., treten. Nur der Papst, als «custos triregni» nach der Bezeichnung in der traditionellen Krönungsformel «pater principum et regum, rector mundi, vicarius Christi in terra», hat das Recht auf die Tiara und die Petrusschlüssel. Der rechte Schlüssel in Gold versinnbildet die Lösegewalt, der linke in Silber die Bindegewalt. Während der Sedisvakanz fügt der Kardinalkämmerer seinen persönlichen Würdenzeichen den so genannten Ombrellino mit den Petrusschlüsseln hinzu, die nach der Wahl des neuen Papstes wieder verschwinden. Das Zeichen der Mitra steht den Erzbischöfen, Bischöfen, auch einigen Äbten und Domherren zu. Im Mittelalter benutzten die Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte den Krummstab als Zeichen ihrer Jurisdiktion. Heute ist das am häufigsten benutzte Würdenzeichen der Prälatenhut: bei Kardinälen in rot und mit fünfzehn Quasten an den Kordeln auf jeder Seite, bei Erzbischöfen und Bischöfen in grün und mit zehn bzw. sechs Quasten auf jeder Seite; dazu hinter dem Schild unterhalb des Prälatenhutes das Vortragekreuz: bei Kardinälen und Erzbischöfen ein doppeltes Kreuz, bei Bischöfen ein einfaches Kreuz.
Filip ist hier ein gutes und verständliches Handbuch der Heraldik gelungen. Auch praktische Fragen des Erwerbs eines Wappens werden aufgegriffen. Seinem geduldigen und unermüdlichen Fleiß bei der schwierigen Ausarbeitung gebührt Dank und Anerkennung.
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