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Recensione: ECKART OTTO, Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumsrahmens

 
 
 
Foto Volgger David , Recensione: ECKART OTTO, Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumsrahmens, in Antonianum, 77/4 (2002) p. 749-752 .

Der Ordinarius für Theologie des Alten Testaments an der Ludwig-Maximilians-Universität München E. Otto schließt mit dem Band FAT 30 an seine Ausführungen in BZAW 284 (Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien) an, wobei er beide Werke als Vorarbeit zu seinem Dtn-Kommentar (ATK) verstanden wissen will. Schon seit vielen Jahren hat sich der Autor aufs intensivste mit diesem Themenkreis beschäftigt, so daß seine zahlreichen einschlägigen Forschungsergebnisse nicht unberücksichtigt bleiben können.

Der Titel des Werkes stellt das Deuteronomium in den Lesehorizont des Penta- und Hexateuchs. Ersteres ist für diejenigen, die unter Pentateuch die fünf Bücher Moses verstehen, wohl nichts Außergewöhnliches. Der Zusammenhang des Dtn mit Gen bis Num wird dabei durch eine fiktive Autorenangabe unterstrichen. Dennoch weist Otto darauf hin, daß forschungsgeschichtlich mit der literarischen Einbindung des Dtn in das `Deuteronomistische Geschichts-werk´ dieser Zusammenhang verloren gegangen sei. Eine derartige Pentateuchforschung steht somit im Widerspruch zu ihrem Namen, da eigentlich nur der Tetrateuch (Gen bis Num) und davon isoliert das Dtn untersucht werden. Nach Otto ist aber „eine isoliert betriebene Deuteronomiumsforschung ... nicht mehr in der Lage, die im Deuteronomium immer weiter ausdifferenzierten literaturhistorischen Schichtungen noch redaktionshistorisch exakt zuzuordnen“ (S. 234). Folglich gilt es, das Dtn im Kontext des gesamten Pentateuch redaktionshistorisch zu analysieren. Daß das fünfte Buch Moses auch in den Lesehorizont eines sogenannten Hexateuch gestellt werden muß, leuchtet einem unbefangenen Leser von Genesis bis Josua nicht sogleich ein, da der Text Gen bis Dtn als `Vorgabe´ erscheint, die dem Josuabuch zumindest in der Fiktion historisch vorausgeht und daher auch ohne dieses gelesen werden könnte. Dennoch ist natürlich nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr erwartbar, daß das Buch Josua an die sogenannten Mose-bücher literarisch anschließt.

Zentrum des Programms `Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch´ bleibt aber das Dtn, das die „Funktion eines Angelpunktes der Literatur-geschichte des Pentateuch und damit der Hebräischen Bibel insgesamt“ (S. 234) inne hat. Das hängt damit zusammen, daß einzelne historisch-kritische Forscher dazu übergegangen sind, den Text Dtn zumindest in Teilen exakt zu datieren. De Wette z.B. hat das `Urdeuteronomium´ nicht nur mit der sogenannten Joschija-Reform (2 Kön 22f) verbunden, sondern damit auch eine Datierung dieses Werkes im Sinne moderner Autorenschaft vorgeschlagen. Otto lehnt diese These zwar ab, glaubt aber nun in der Textentsprechung von Dtn 28,20-44* und dem Vasallenvertrag Asarhaddons VTE §56:472-493 einen Fixpunkt der Datierung für einen Textabschnitt des Dtn gefunden zu haben, da der Vertrag VTE ausschließlich zwischen 672 und 612 v. Chr. im Gebrauch war. Diese Schlußfolgerung gewinnt für die Literaturgeschichte des gesamten Dtn noch zusätzliche Relevanz, wenn Dtn 28,20-44* auch als Ausgangspunkt für die Textwerdung des Dtn beurteilt wird. Genau davon geht Otto aus, wobei er auch noch Teile aus Dtn 13 zum `Urdeuteronomium´ hinzunimmt. Freilich ist damit noch nicht gesagt, daß das Dtn nicht noch ältere Textabschnitte enthält. Das Dtn als historisch gewachsenes System von Texten sei jedoch nur dann stimmig zu erklären, wenn von Dtn 13* und Dtn 28,20-44* zumindest als Teil des `Urdeuteronomiums´ ausgegangen werde.

Soweit ich sehe, ist der Text VTE die einzige nichtbiblische Quelle, die die historische Rekonstruktion Ottos zur Literaturwerdung des Dtn stützt. Die Bücher Esr bzw. Neh signalisieren sodann den Endpunkt dieser Entwicklung, wobei kleinere Einträge nach dem frühen 4. Jh.v. nicht auszuschließen sind. Das Dtn ist somit zwischen dem 7. und dem frühen 4. Jh.v. zu dem geworden, was es in etwa heute darstellt. Innerhalb dieses Zeitabschnittes rekonstruiert Otto folgende Redaktionsphasen des Dtn*:

1. Zur Exilszeit hat ein Redaktor DtrD das dtn Deuteronomium, bestehend aus 6,4f und 12,13-28,44*, durch die Ämtergesetze 17,9-14 und 18,9-22 angereichert und vor allem mit dem Dekalog und der Sinaierzählung (Horebbund 5; 9-10*) verbunden. Der Textkomplex 4,45-28,68* war das Ergebnis dieser Redaktionsarbeit.

2. Der folgende Redaktor DtrL erweitert diesen Text durch 1-3*; 29-30* und verbindet ihn noch mit der dtr Grundschicht von Jos 1-11*; 23* und Ri 2,6-9. (S. 241)

3. „Der Hexateuchredaktor verklammert unter Verwendung des Aufrisses von Dtn 1-3 in Num 10-14*; 20-21*; (22-25*;) 32* (; 34*) sowie der in Dtn 1-3* von DtrL benutzten Erzählungen postsinaitisch P mit DtrL, erweitert z.T. unter Verwendung der jeweils DtrL und der Priesterschrift vorgegebenen Überlieferungen sowohl den priesterschriftlichen Faden in Genesis und Exodus sowie das Buch Josua und spannt einen Bogen, der seine Hauptpfeiler in Gen 15 und Jos 24 hat.“ (S. 243f) Zu beachten ist dabei, daß die Tätigkeit von DtrD und DtrL im Hinblick auf bzw. in Reaktion auf die aaronidische Priesterschrift geschehen sei (S. 240), was wohl heißt, daß beide Textkomplexe intertextuell miteinander in Beziehung gestanden haben.

4. Der Pentateuchredaktor fügt „das Bundesbuch als Vorlage des dtn Gesetzes im Deuteronomium sowie eine dem Autor DtrD vorgegebene Fassung des Dekalogs in die Sinaiperikope ein und überarbeitet sie, vermittelt Bundesbuch, Dekalog, Priesterschrift und Deuteronomium im Heiligkeitsgesetz und strukturiert die Sinaiperikope wiederum unter Verwendung der DtrD in Dtn 5; 9-10* vorgegebenen Quellentexte als Bundesschlußerzählung, die die priesterschriftliche Kultgründungsüberlieferung integriert.“ (S. 245f). Zugleich trennt er das Josuabuch vom Dtn ab, indem er die Erzählung vom Tod Moses einfügt (Dtn 34).

Auch der exilische Konflikt zwischen Aaroniden, die für P verantwortlich zeichnen, und Zadokiden, deren Programm z.B. im nachexilischen Text Ez 40-48 vorliegt, habe die Entstehung des Penta- bzw. Hexateuchs beeinflußt. Der Pentateuchredaktor gibt schließlich zadokidischen Hintergrund zu erkennen (S. 258) und entspricht darin dem dtn-vordtr Deuteronomium (S. 252). Insgesamt kommen ausschließlich Priester für die gesamte Literaturwerdung des Penta- bzw. Hexateuch in Frage.

Neben diesen innerisraelitischen Konflikten habe auch der Bezug zu den Hegemonialmächten Judas in der Schriftwerdung des Dtn bzw. des Penta- bzw. Hexateuch seine Spuren hinterlassen. Wie das Urdeuteronomium antiassyrisch war, so die Priesterschrift antibabylonisch und schließlich die Hexateuch-redaktion antipersisch (S. 247).

In das bisher skizzierte Modell der Literaturgeschichte zum Dtn fügen sich auch die Kapitel des Deuteronomiumsrahmens ein, denen Otto im vorliegenden Buch besondere Aufmerksamkeit widmet. Zunächst analysiert er die Kunds-chaftererzählung Dtn 1,49-46 im Kontext der Überlieferungen in Num 13f, Num 32,6-15, Jos 14,6-15 und Jos 15,13-19. Anschließend folgt eine Untersuchung zu Dtn 1-3 und 29-30* v.a. im Hinblick auf DtrD (vgl. dazu noch Dtn 5; 9-10*) und DtrL. Im anschließenden Kapitel zum `Deuteronomium zwischen Tetrateuch und Hexateuch´ geht Otto noch besonders auf Dtn 1,5; 4,1-40; 31-34* ein und schließt mit einer Analyse zur Erzählung vom Tod Moses in Dtn 34 ab. Am Ende fügt er die Ergebnisse der Untersuchungen in das Modell zur Textgenese von Dtn ein.

In jedem Kapitel tritt Otto in Dialog mit anderen Forschungspositionen. Auch wenn er sein Modell kritisch gegenüber deren Ergebnissen profiliert, weiß er sich insgesamt der historisch-kritischen Erforschung des AT im Gefolge von De Wette verpflichtet. Eine besondere Stärke der Arbeit liegt sicherlich in der intensiven Auseinandersetzung mit seinen Vorgängern und Kollegen, denen Otto durchaus auch positive Einsichten trotz unterschied-lichem Urteil im Einzelfall abgewinnen kann (vgl. S. 235-237). In diesem Zusammenhang fällt die umfangreiche und mitunter durchaus positive Würdigung derjenigen Exegeten auf, die sich der synchronen Analyse des Penta- bzw. Hexateuch widmen, wie z.B. N. Lohfink, G. Fischer und J.-P. Sonnet (S. 266-272). Diese Hinweise haben ihr besonderes Gewicht, da Otto die Textgestalt des Dtn vor allem auf diachronem Hintergrund erklärt.

Ottos Modell wird nicht ohne Widerspruch bleiben. Zur Untersuchung der Kundschaftererzählung in Num 13f und Dtn 1,19-46 hat z.B. L. Schmidt bereits seine Bedenken in ZAW 114 (2002) 40-58 angemeldet. Schmidt plädiert dafür, Num 13f mit Hilfe einer Urkundenhypothese zu erklären und nicht wie Otto mit einem Ergänzungsmodell (Pentateuchredaktion). Läßt man die diachronen Datierungen der einzelnen rekonstruierten Textschichten unberücksichtigt, so unterscheiden sich beide Erklärungsversuche vor allem darin, daß Schmidt für den Text Num 13f von zwei parallelen, einst unabhängigen Erzählungen spricht, Otto hingegen von einer, die jedoch später durch z.T. umfangreiche Ergänzungen angereichert worden sei. Es stellt sich dabei die Frage, was einen Redaktor, der zwei parallele Erzählungen zusammenfügt, von demjenigen unterscheidet, der eine Grunderzählung in großem Ausmaß sekundär ergänzt. Und warum hat keiner dieser Redaktoren oder Autoren darauf verzichtet, einen `unseren´ Kriterien entsprechenden stimmigen Text aus Quellenmaterialien oder eigener Textproduktion zu schaffen? Warum riskiert der Letztredaktor oder Autor von Num 13f einen Text, der an mehrere vorangehende Autoren oder Redaktoren denken läßt? Will man diese Frage in eine positive Fest-stellung ummünzen, so müßte man sagen: Num 13f ist ein Text, der auf Erklärung bzw. Kommentierung angelegt ist. Die Texte Num 32,6-15, Dtn 1,19-49 (Dtn 9,1-8.22-24) und Jos 14,6-15 (Jos 15,13-19) öffen bzw. präzisieren noch diese Beobachtung aus Num 13f, so daß der gesamte Textzusammenhang von (Gen) Num bis Jos in dieses Erklärungsgefüge einzubinden ist. Von daher scheint die Textgestalt Num 13f vor allem dazu anzuregen, diesen Text nicht als isolierte Erzählung, sondern in Verknüpfung mit dem größeren Gesamttext wahrzunehmen. Dabei ist natürlich nicht auszuschließen, daß diachrone Textteile miteinander verknüpft wurden. Wenn andererseits eine diachrone Erklärung zu Num 13f zur isolierten Wahrnehmung von Textabschnitten dieser Kapitel führt, so kann dies nur im Blick auf die Erklärung der Komplexität des Endtextes geschehen. Wichtig scheint mir dabei zu sein, den Effekt eines Textes, sowohl des Endtextes wie der rekonstruierten Vorstufen, jeweils für sich zur Geltung zu bringen. Diesbezüglich erscheinen mir die Textangaben, die eine Vorstufe des Endtextes kennzeichnen, von besonderer Hilfe (vgl. z.B. den Text von DtrL in Dtn 1-3* auf S. 136-138).

Insgesamt ist dem Werk Ottos eine intensive Auseinandersetzung in der exegetischen Einzeldiskussion zu wünschen. Mit großem Gewinn wird man das Buch zum `Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch´ immer wieder zur Hand nehmen, um der kaum zu überbietenden synthetischen Darstellung der Sekundärliteratur und deren Diskussion im Rahmen des vorgeschlagenen Pentateuch-Modells zu folgen.