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Recensione: TIMO VEIJOLA, Moses Erben. Studien zum Dekalog, zum Deuteronomismus und zum Schriftgelehrtentum

 
 
 
Foto Volgger David , Recensione: TIMO VEIJOLA, Moses Erben. Studien zum Dekalog, zum Deuteronomismus und zum Schriftgelehrtentum, in Antonianum, 77/3 (2002) p. 753-754 .

Der Alttestamentler von Helsinki, Timo Veijola, bietet mit der vorliegenden Sammlung von 11 Aufsätzen einen Einblick in seine Forschungen zum Deuteronomium und angrenzenden Gebieten, die er in den letzten 10 bzw. 15 Jahren vorgelegt hat. Der Sammelband beginnt mit einem forschungs-geschichtlichen Thema, das die Rezeption von M. Noths `Überlieferungs-geschichtliche Studien´ in einigen Theologien des AT unter-sucht. Auch der zweite Aufsatz ist zumindest teilweise der Forschungsgeschichte gewidmet: `Der Dekalog bei Luther und in der heutigen Wissen-schaft´. Am Schluß des Werkes legt Veijola sehr ausführlich seine Position zur Entstehung und Überlieferung der deuteronomistischen Literatur dar (`Die Deuteronomisten als Vorgänger der Schriftgelehrten´ S. 192-240). Nach eigenen Worten (S.9) liegt dem Autor am meisten an dieser bisher unveröffentlichten Schrift-gelehrtenstudie. Diese soll auch im folgenden als Ausgangspunkt für einige Beobachtungen zu den Thesen Veijolas herangezogen werden.

Nach Veijola seien die späten Deuteronomisten (DtrN) als Juristen zu verstehen, die zunächst in exilischer Zeit in der Gola und später in Palästina als Schriftgelehrte gewirkt hätten. Diese Kontinuität von Deuteronomisten zu Schriftgelehrten widerspricht jeder Gegenüberstellung von Hebraismus und darauf folgendem Judentum (S. 236f). Die Lücke zwischen Deuterojesaja und Esra sei mit der deuteronomistischen Bewegung auszufüllen (S. 238f; vgl. auch L. Perlitt). Eigentlich reiche das Phänomen `Schriftgelehrsamkeit´ bereits in vorexilische Zeit zurück, wie Jer 8,8f zeigt (S. 234). Dieser Text enthalte „eine prophetische Stellungnahme zu einer einzigen Tora, die es damals, in der spätvorexilischen Zeit, gab: dem Deuteronomium in seiner vorexilischen Gestalt“ (S. 235). In Anlehnung an Theorien von Levinson und Otto wird das Urdeuteronomium als „radikale Neuauslegung des Bundesbuches im Lichte der Kultzentralisation unter Anwendung ausländischer literarischer Techniken“ (S. 235) verstanden. Zum konkreten Umfang des Urdeuteronomiums schweigt jedoch Veijola. Dies mag darin begründet sein, daß er sich in seinen weiteren Aufsätzen v.a. den sogenannten Rahmenteilen des Dtn (vgl. Dtn 5 mit Dekalog; Dtn 6,4-9: das `Höre Israel!´ und sein Kontext; Dtn 8: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein) und der bundestheologischen Redaktion aus frühnach-exilischer Zeit (z.B. in Dtn 7; 10f; 12f; 15) widmet. Beide Textkomplexe scheiden dabei als Kandidaten für das Urdeuteronomium aus. Allein in der Untersuchung zum Festkalender in Dtn 16,1-17 eruiert Veijola für die Verse 1-8 eine dtn Grundschrift (16,1*.2.5abα.6a*), derzufolge der dtn Verfasser „das Mazzotfest des alten Israel (Ex 23,15) in ein an der zentralen Kultstätte zu feierndes Pesachfest umgestaltet“ habe (S. 152). Diese Schicht könnte als Teil des Urdeuteronomiums oder zumindest des vorexilischen Deuteronomiums verstanden werden.

In diesem Kontext muß auf Otto und seine Einschätzung von Dtn 13* im Vergleich zu Veijola hingewiesen werden. Otto sieht nämlich gerade in Dtn 13* (neben Dtn 28*) einen möglichen Kandidaten für den Text des joschijanischen Urdeuteronomiums, nicht zuletzt wegen der zahlreichen textlichen Entsprechungen zwischen Dtn 13 und dem Thronnachfolgevertrag Asarhaddons (VTE) aus dem Jahr 672v. Nun führt auch Veijola in seiner Untersuchung zu Dtn 13 die Textparallelen zum VTE an, folgert daraus aber nicht, daß beide Texte ungefähr aus derselben Zeit stammen, „denn so wenig man aus den hethitischen Vertragsparallelen die mosaische Herkunft be-stimmter alttestamentlicher Texte ableiten kann, so wenig läßt sich aus ihren neuassyrischen Varianten auf die joschijanische Abstammung der betreffenden Teile des Deuteronomiums schließen. Die Tradition der Vertragskonventionen ist bekanntlich zählebig, wie ihr Weiterleben in dem diplomatischen Sprach-gebrauch der griechisch-römischen Antike augenfällig beweist“ (S. 127).

Nun kann man sich vorstellen, wie Otto auf ein derartiges Argument reagieren dürfte: Ein Autor späterer, z.B. exilischer Zeit hätte nicht mehr den Text Asarhaddons, sondern einen aktuellen Vertragstext ins Dtn aufgenommen. Dagegen könnte wieder ein anderer einwenden: Ist es nicht denkbar, daß der exilische Autor im Blick auf die Joschija-Legende historisierend arbeiten wollte und daher einen `alten´ Vertragstext aus dem 7.Jh.v. als Textvorlage verwendet hat?

Fakt bleibt allerdings, daß erstens der Vertragstext VTE aus dem 7. Jh.v. stammt und zweitens Dtn 13 als Abschnitt eines größeren Werkes (z.B. Dtn) zum ersten Mal auf einer Qumranrolle aus der Mitte des 2.Jh.v. bezeugt ist (4Q30), wobei ein anderer Qumrantext zu Dtn (4Qpaleo Deuts; Dtn 26,14f) bereits in die 2. Hälfte des 3. Jh.v. zu datieren ist. Einzelne Möglichkeiten, die Beziehung von Textabschnitten aus VTE zu Dtn 13 (28) zu interpretieren, bedürfen freilich der ständigen skeptischen Überprüfung. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der diesbezüglich vorgelegten Theorien werden dem Leser von Dtn immer wieder neue Textperspektiven erschließen. Dazu hat Veijola mit dem vorliegenden Werk, das Ergebnis jahrelanger Forschungen ist, einen gewichtigen Beitrag geleistet.