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Recensione: PAUL ZAHNER, Die Fülle des Heils in der Endlichkeit der Geschichte: Bonaventuras Theologie als Antwort auf die franziskanischen Joachiten

 
 
 
Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: PAUL ZAHNER, Die Fülle des Heils in der Endlichkeit der Geschichte: Bonaventuras Theologie als Antwort auf die franziskanischen Joachiten , in Antonianum, 76/2 (2001) p. 354-356 .

Zahner, Schweizer Franziskaner, promovierte mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Freiburg/Schweiz. Ihm geht es darum, den Motiven für die Theologie des Franziskanertheologen und Kirchenlehrers Bonaventura von Bagnoreggio (ca. 1217/18 oder 1221 - 1274) nachzuspüren. Ein gewichtiges Motiv erkennt er in der Bewegung der sogenannten Spiritualen, d.h. der Minderbrüder, die die Theologie des Joachim von Fiore (ca. 1130 - 1202) aufgriffen. Demgegenüber bemühten sich viele andere Brüder, die sogenannte Kommunität, auf die «Zeichen der Zeit» mit intensiver Seelsorge und gebildeter Verkündigung zu antworten. Bonaventura suchte zwischen beiden Strömungen zu vermitteln, indem er als Ordensgeneral den Lebensalltag der Brüder reformierte und gleichzeitig fundierte theologische Antworten auf die neu aufbrechenden Fragen gab.

Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: I. Joachim von Fiore (S. 30-62); II. Der franziskanische Joachitismus (S. 63-108); III. Bonaventura (S. 109-155); IV. Der systematische Ertrag der Arbeit (S. 157-187). Im Anhang wird das Protokoll von Anagni, der Sitzungsbericht einer von Papst Alexander IV. 1255 in Anagni einberufenen Kommission, die den Introductorius in Evangelium aeternum des Gerhard von Borgo San Donnino zu beurteilen hatte, in der lateinischen Originalfassung und - zum ersten Mal - in deutscher Übersetzung beigefügt (S. 207-315).

«Joachim von Fiore formte die am Schöpfungsbericht orientierte traditionelle Siebenzeitenlehre dahin um, dass einem siebenteiligen Verlauf des Alten Testamentes ein siebenteiliger Verlauf des Neuen Testamentes entspricht. Damit verband er im Anschluss an den Matthäusprolog eine Generationslehre (42 Generationen je Testament), die eine exakte Zeitberechnung gestattete: Die Zeit der Kirche beträgt 1260 Jahre, wenn die neutestamentliche Generation nach den Jahren Christi auf 30 Jahre festgelegt wird. Dazu kommt die trinitarische Auslegung, die nach der Zeit des Vaters (AT) und der des Sohnes (NT) eine Zeit des Hl. Geistes erwarten lässt. Dieses “Mönchszeitalter” stellt Joachim als “johanneische” der “petrinischen” Kirche der zweiten Zeit gegenüber, aber ohne jede antihierarchische Spitze... Die neue Zeit wird eine vollständige Einhaltung der Bergpredigt bringen, damit dem Geist der Armut zum Durchbruch verhelfen, die Beendigung der Kriege bedeuten und den Sieg des geistlichen Schriftverständnisses und damit des Evangelium aeternum von Apk 14,6 bringen» (J. Ratzinger).

Als die Ideen Joachims im Minderbrüderorden eine große Bewegung auslösten, sah sich Bonaventura herausgefordert, eine Theologie zu entwickeln, die hier Antwort gab. Er tat dies in seinem Sentenzenkommentar (1250-1252/53), in der Schrift über die Dreieinigkeit De mysterio Trinitatis (1256/57), im Breviloquium (vor 1257), in der Legenda maior (1261), in der Verteidigung der Mendikanten Apologia pauperum (um 1269) und vor allem im Hexaemeron (1273). Gerade im Hexaemeron bietet Bonaventura eine an der Auseinandersetzung mit den franziskanischen Joachiten gereifte Theologie. Es gelingt ihm, Gott und die Welt, Ewigkeit und Zeitlichkeit, Eschatologie und Geschichte - in der joachitischen Bewegung unvereinbare Gegensätze - zusammenzudenken. Im Geheimnis der Trinität ist Christus die mittlere Person zwischen Vater und Heiligem Geist und so geeignet, in der hypostatischen Union zwischen Schöpfung und Gott zu vermitteln.

Zahner bekennt: «Die Arbeit ist... nicht nur ein objektiv behandeltes theologisch-historisches Thema, sondern auch ein Teil meines persönlichen Ringens um die franziskanische Lebensform überhaupt, insbesondere aber in unserer modernen Zeit» (S. 16). Es ist das Verdienst von Prof. Dr. Barbara Hallensleben, mit «bleibender Hartnäckigkeit» (S. 7) den Doktoranden zur wissenschaftlichen Sachlichkeit gezwungen zu haben. Die für eine wissenschaftlichen Studie weniger geeigneten frommen Anmutungen und Folgerungen für die heutige Zeit bleiben auf das Vorwort, einen Teil der Einführung und einige kleinere Kapitel des Schlussteils beschränkt. Die Durchstrukturierung der Arbeit ist zwar klar, hätte aber auch besser gestaltet werden können. Die ersten beiden Teile bestehen je aus nur einem einzigen Kapitel, der dritte Teil immerhin aus zwei, der vierte Teil aus fünf, aber sehr kleinen Kapiteln. Besonders wertvoll ist die deutsche Übersetzung des Protokolls von Anagni. Im Ganzen ist das Werk gediegen und verdient hohes Lob.