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Recensione: WILHELM THÜSING, Die neutestamentlichen Theologien und Jesus Christus: Grundlegung einer Theologie des Neuen Testaments, Bd. III: Einzigkeit Gottes und Jesus-Christus-Ereignis

 
 
 
Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: WILHELM THÜSING, Die neutestamentlichen Theologien und Jesus Christus: Grundlegung einer Theologie des Neuen Testaments, Bd. III: Einzigkeit Gottes und Jesus-Christus-Ereignis , in Antonianum, 76/2 (2001) p. 356-358 .

Wilhelm Thüsing, Professor für Neues Testament zunächst in Regensburg, später in Trier und schließlich in Münster, ist am 24. Mai 1998 im Alter von 77 Jahren gestorben. Drei Tage zuvor hatte er das Manuskript des vorliegenden Bandes beim Verlag abgeliefert. Die Drucklegung wurde von seinem Schüler Thomas Söding überwacht.

Das Gesamtwerk ist auf vier Bände angelegt. Thüsing versucht den Neuentwurf einer Theologie des Neuen Testaments. Im ersten Band, der 1981 erschien und 1996 eine erweiterte 2. Auflage erlebte, wurde der Ansatz entwickelt und der Entwurf als solcher hingestellt und reflektiert: Kriterien aufgrund der Rückfrage nach Jesus und des Glaubens an seine Auferweckung. Im zweiten Band, der 1998 herauskam, ging es darum, das Programm einer Theologie des Neuen Testaments mit Perspektiven für eine gesamtbiblische, das Alte wie das Neue Testament umfassende Theologie zu entwerfen: Programm einer Theologie des Neuen Testaments mit Perspektiven für eine Biblische Theologie. Der vorliegende dritte Band entwirft nun diese gesamtbiblische Theologie. «Einzigkeit Gottes» steht dabei für das, was Altes und Neues Testament umgreift, «Jesus-Christus-Ereignis» für das, was über das Alte Testament hinaus spezifisch christlich genannt werden muss.

Der Band gliedert sich in drei Teile mit durchlaufender Kapitelzählung: I. Basileia-Dynamik Gottes und Basileia-Existenz Jesu (S. 1-103): 1. Einleitung: Basileia-Handeln und Einzigkeit Gottes; 2. Gottes Basileia-Dynamik des Je-mehr; 3. Die Basileia-Existenz Jesu und sein Tod; 4. Die Basileia und der glaubende Mensch; II. Juden und Christen angesichts des Jesus-Christus-Ereignisses (S. 104-270): 5. Der Bote der Basileia, seine pharisäischen Gegner und die Christen; 6. Der christliche Antijudaismus und die Theologie des Neuen Testaments; 7. Die Gemeinde Christi, das von ihr getrennte Israel und das Basileia-Handeln des einzigen Gottes; III. Die Erhöhung Christi und die Einzigkeit Gottes (S. 271-419): 8. Christusverkündigung als "Vergottung Jesu"?: zum Verständnis der Präexistenzchristologie - und ihres Verhältnisses zu der auf dem Kerygma von Tod und Auferweckung Jesu gründenden Christologie; 9. Zum Verhältnis zwischen dem Basileia-Evangelium Jesu und dem nachösterlichen Evangelium von Jesus Christus; 10. Einzigkeit Gottes und Einzigkeit des Kyrios Jesus Christus: zum Zusammendenken von Gott und Jesus Christus. Ein Literaturverzeichnis (S. 421-435), ein Schriftstellenregister (S. 436-437), ein Autorenregister (S. 438-441) sowie ein Sachregister (S. 442-444) runden den Band ab.

In seinem Vorwort betont der Herausgeber: «Die hermeneutisch-theologische Relevanz des III. Bandes liegt darin, dass - erstmals in dieser Klarheit - die zentrale Frage des Verhältnisses zwischen den beiden Testamenten, damit aber auch des jüdisch-christlichen Gesprächs als Kardinalproblem einer Theologie des Neuen Testaments formuliert und in gezieltem Zugriff gelöst wird: die Beziehung zwischen der Einzigkeit Gottes und der Christologie, die im eschatologischen Ereignis des Wirkens, des Todes und der Auferweckung Jesu von Nazareth begründet ist. Dass Thüsing hier den Schlüssel ansetzte, verdankt sich den Impulsen früherer Arbeiten zur johanneischen und paulinischen Verhältnisbestimmung von Theozentrik und Christozentrik» (S. V). Von der Erkenntnis her, dass das Jesus-Christus-Ereignis mit der Einzigkeit Gottes nicht nur vereinbar ist, sondern deren Offenbarung letztgültig vorantreibt auf die futurisch-eschatologische Vollendung dieser Offenbarung hin, kann die Ganzheitlichkeit der christlichen Bibel, in der der Glaube Israels mit dem Christusglauben spannungsvoll verbunden ist, in den Blick kommen. Für die Beantwortung dieses Problemkomplexes vermag nur eine dynamische Sicht des Handelns Gottes, des Handelns in Israel und des letztgültig-neuen Handelns in und an Jesus Christus, eine Chance bieten.

Thüsing greift sehr aktuelle Fragen auf. So die nach dem Gegensatzpunkt zwischen Jesus und seinen pharisäischen Gegnern. Als Kernpunkt der Gegnerschaft der Pharisäer dürfte die Tatsache anzusehen sein, dass die Ankündigung der Gottesherrschaft durch Jesus ein Transzendieren der Großtaten bedeutete, die Gott Israel bisher schon erwiesen hatte. Gerade dieses Transzendieren vermochten die Gegner Jesu nicht zu erfassen und zu akteptieren.

Eine weitere Frage ist die nach dem Verhältnis von der Gemeinde Christi zum fortbestehenden Israel, näherhin ob der unleugbare wirkungsgeschichtliche Zusammenhang des christlichen Antijudaismus mit dem Neuen Testament tatsächlich die neutestamentliche Botschaft als solche tangiert. Das Neue Testament kann nicht als antijudaistisch bezeichnet werden. Zwar erwiesen sich seine Tendenzen zur Enterbung Israels hin und zum Desinteresse gegenüber dem nicht an Jesus Christus glaubenden Israel als verhängnisvoll. Aber das doktrinär gewordene Vorstellungsgefüge des spätantiken christlichen Antijudaismus kann nicht als legitime Weiterführung einer vermeintlichen innerneutestamentlich-doktrinären Linie betrachtet werden.

Für die Trinitätslehre dürfte theologiegeschichtlich der Taufbefehl Mt 28,19 vielleicht die wichtigste Grundlage sein. Für ein Geltendmachen der Einzigkeit Gottes in der Trinitätslehre scheint diese Stelle jedoch problematisch zu sein, da sie Vater, Sohn und Geist parataktisch nebeneinander stellt, ohne den Ansatz für die Einheit der "drei Namen" zu bieten. Vom Auferweckungsglauben aus kommt man notwendig zum Zusammendenken von Vater und Sohn im Heiligen Geist - also zu einer zunächst keimhaften Trinitätslehre als der Aussage der dreifaltigen, unbegreiflich alles Denkbare transzendierenden Liebe, die Gott in sich selber ist. Wenn Gott entsprechend 1 Joh 4,8.16 als Liebe betrachtet wird und von daher geschlossen wird, dass Liebe das Wesen Gottes sei, dann ist das Zurückfluten der Liebe vom Sohn zum Vater nicht weniger göttlich als das Ausströmen der Liebe vom Vater.

Angesichts des Todes von Thüsing ist man versucht, in dem vorliegenden Band sein Vermächtnis zu sehen. Aber dem widerspricht der Herausgeber: «Die Pläne reichten viel weiter... Die “Grundlegung einer Theologie des Neuen Testaments”... sollte die paradigmatische Behandlung wichtiger Theologien im Neuen Testament vorbereiten» (S. V). So ist es eine gute Nachricht, dass der geplante vierte Band, der am Beispiel von Paulus und Johannes Strukturbestimmungen und Strukturvergleiche vornehmen sollte, um die Fruchtbarkeit des theologischen Ansatzes zu demonstrieren, tatsächlich noch erscheinen wird, wenn auch in stark fragmentarischer Form. Der Herausgeber dazu: «Im Nachlass fanden sich nur zum Paulus-Kapitel ausgearbeitete Texte, die große Teile der geplanten Ausführung erfassen. Zu Johannes liegt lediglich eine detaillierte und kommentierte Gliederung vor. Band IV der "Theologie" wird als Fragment erscheinen und die für den Druck geeigneten Paulus-Partien sowie einen ausführlichen Bericht des Herausgebers über die Konzeption der fehlenden Abschnitte enthalten» (S. V).