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Recensione: Enzo Cortese, Deuteronomistic Work

 
 
 
Foto Volgger David , Recensione: Enzo Cortese, Deuteronomistic Work, in Antonianum, 75/4 (2000) p. 759-761 .

Seit vielen Jahren beschäftigt sich E. Cortese mit dem deuteronomistischen Geschichtswerk. In seiner neuesten Monographie `Deuternomistic Work´, das im wesentlichen eine auf den neuesten Forschungsstand gebrachte Übersetzung seines Werkes `Da Mosè a Esdra. I libri storici dell´Antico Israele (S. 145-264) ist, legt er der alttestamentlichen Fachwelt eine Summe seiner Forschungen zu den Büchern Dtn, Jos, Ri, 1.2 Sam und 1.2 Kön vor. Schon aufgrund der langjährigen Erfahrung des Forschers mit dem Untersuchungsgegenstand gebührt diesem Werk besondere Aufmerksamkeit. Es ist kein Frühlingswerk, sondern eine Auslese der Ergebnisse, die sich im Laufe der Forschungsjahre als sinnvoll bewährt haben.

Cortese weiß sich selbst in der Tradition der alttestamentlichen Forschung des 20. Jahrhunderts verbunden und wählt M. Noth als Ausgangspunkt seiner weiterführenden Überlegungen. Mit Noth greift er sicherlich auf den bedeutendsten Forscher zum deuteronomistischen Werk zurück. Während die Göttinger Schule den einen exilischen Redaktor in mehrere exilische Redaktoren (v.a. DtrH, DtrP, DtrN) aufgliedert, beschränkt sich Cortese im wesentlichen auf zwei Redaktoren, wobei der eine der vorexilischen Zeit unter Joschija, der andere der exilischen Epoche zugerechnet wird. Cortese folgt damit den Vorschlägen F.M. Cross und seiner Schule. Die Unterscheidung in josianischen (Dtr1) und exilischen (Dtr2) Redaktor entspreche den Quellen, die eine königsbejahende Einstellung, freilich mit mancher Kritik an verschiedenen Königen, und eine grundsätzlich königskritische, pessimistische Haltung zu erkennen geben. Daß ein und derselbe Redaktor, bzw. mehrere Redaktoren aus ein und derselben historischen Periode, dem Exil, für diese unterschiedliche Einstellung zum Königtum verantwortlich gemacht werden könnte/n, erscheint äußerst unwahrscheinlich (S 13f). Im Ausmaß der Zuweisung von Redaktionsabschnitten an Dtr2 unterscheidet sich Cortese von Cross. Cortese rechnet bereits schon ab Dtn 4 mit umfangreicheren Eingriffen von Dtr2, nicht erst in den letzten Kapiteln von 2 Kön, die notwendig von Dtr2 stammen müssen, da sie von der Zeit nach Joschija berichten. Das Ausmaß der Redaktion von Dtr2 listet Cortese auf den Seiten 147f tabellarisch auf. Insgesamt bleibt aber Dtr1 für die Grundstruktur des dtr Geschichtswerks bis Joschija verantwortlich.

In Auseinandersetzung mit Exegeten im Gefolge von Noth versucht Cortese zu den einzelnen Büchern jeweils die Redaktionsarbeit verständlich zu machen. In fünf Kapiteln untersucht er die Texte Dtn, Jos, Ri, 1.2 Sam und 1.2 Kön. Zu Beginn jedes Kapitels bietet der Autor eine Einleitung, in der er auf Inhalt, Gestaltung und Problemlage des zu behandelnden Textes eingeht. In einem zweiten Schritt werden die einzelnen Bücher, teilweise bereits in kleinere Einheiten gegliedert, einer diachronen Analyse unterzogen. Eine meist kurze Zusammenfassung am Ende der Untersuchungen konzentriert sich im wesentlichen auf die Darstellung der Redaktionsarbeit von Dtr2.

Besonders wertvoll erweisen sich die Beobachtungen des Autors zu den einzelnen Überblicken der biblischen Bücher. In geraffter Form stellt er die zentralen Schwerpunkte der Texte dar und weist zugleich auf deren Probleme hin. In der Einzelanalyse läßt sich Cortese von der Sekundärliteratur leiten, die ihm am einleuchtensten und schlüssigsten die literarkritischen Probleme löst. Er wählt aus der schier unüberschaubaren Sekundärliteratur aus und verhindert dadurch unnötig lange Fußnoten. Gekonnt ordnet er die verschiedenen Strömungen der Interpretationen in den historischen Prozeß der Exegese seit M. Noth ein. Vorschnell könnte man meinen, der A. habe sich zwar mit der Göttinger Schule kritisch auseinandergesetzt, dabei aber auf eine neuere Strömung der Exegese, die sogenannte Kopenhagener Schule, vergessen. Doch immer wieder läßt Cortese durchblicken, daß mit den `Skeptikern von heute´ (vgl. z.B. die Seiten 48; 110f) wohl auch die neueste Exegeserichtung gemeint ist, die das AT im wesentlichen als Schrift aus hellenistischer Zeit verstehen will. Demgegenüber rechnet Cortese mit alten Dokumenten, die spätestens zur Zeit Joschijas zu einer ersten Gesamtschau der Geschichte Israels bzw. Judas zusammengefügt worden sind. Nicht Erfindung der Vergangenheit, sondern perspektivenorientierte Zusammenschau einer weithin bereits in Einzeltexten fragmentierten Vergangenheit sei die Vorgehensweise der joschijanischen Redaktors Dtr1 bzw. des exilischen Redaktors Dtr2. Das Fehlen dieser Einzelfragmente als archäologische Dokumente berechtigt nach Cortese keineswegs zur Annahme, daß der Redaktor, vielleicht gar noch in hellenistischer Zeit, ohne umfangreiche schriftliche Vorgaben gearbeitet habe. Die Texte von Qumran, Paralleltexte wie 1.2 Kön und 1.2 Chron dürfen als Hinweis auf diese komplexe und allmähliche Transformation der Texte angesehen werden. Einen ähnlichen Eindruck hinterläßt der Vergleich von MT und LXX v.a. in 1.2 Sam (S. 63f) und 1.2 Kön (S. 91-93). Kopieren, Umstellen, geringfügiges bzw. umfangreiches Ergänzen von bereits vorhandenen Texten sind die Techniken, die sich in der Textproduktion im Zusammenhang mit biblischen Büchern eindeutig nachweisen lassen. Von daher kann man nicht von vornherein die Existenz zahlreicher alter, vorjoschijanischer bzw. vorhiskijanischer Dokumentabschnitte in den einzelnen biblischen Büchern in Abrede stellen. Eine gewisse Zurückhaltung in der Bestreitung der Historizität biblischer Einzeldarstellungen scheint infolgedessen geboten zu sein. In diesem Verstehenshorizont siedelt Cortese sein Verständnis der Textgenese des dtr. Geschichtswerks an, und vieles scheint dafür zu sprechen.

Ob jedoch die `Königskritik´ als Kriterium der Quellenscheidung zwischen Dtr1 und Dtr2 nachweisbar ist, scheint mir zumindest einer Anfrage zu bedürfen. Mit dem Untergang Jerusalems und der Gefangennahme der Davididen kann eine allzu optimistische Sicht des Königshauses im Süden nicht bestehen bleiben. Warum wurde aber nicht die Zeit nach Joschija (nach Dtr1) als eigentlicher Grund für den Untergang Jerusalems verstanden, sondern u.a. ein König vor Joschija namens Manasse. Wenn aber schon in der Komposition von Dtr1 die Könige Judas und Israels kritisiert wurden, kann Dtr2 nur mehr graduell die Kritik verschärfen. Dies würde aber bedeuten, daß das katastrophale Ende des davidischen Reiches, wie es in den prophetischen Schriften dargestellt wird, lediglich einen graduellen Einfluß auf die Konzeption der Geschichte Judas, Israels ausgeübt hätte. Mir erscheint es jedenfalls nicht ganz einleuchtend, ein Kriterium wie `Königskritik´ in seinen graduellen Akzentuierungen als ein ausschlaggebendes Kriterium für die Redaktionen des dtr. Geschichtswerkes anzusehen. Dennoch stimme ich Cortese zu, wenn er davon ausgeht, daß sich die Geschichte Israels im gelobten Land nicht ausschließlich aus der Perspektive des Exils verstehen läßt.

Besonders hervorzuheben sind noch die Ausführungen Corteses zur dtr. Theologie. Das Mosegesetz und der salomonische Tempel können als die zwei Säulen der dtr. Geschichte Israels angesehen werden (S. 131). `Das Land´, `der Tempel´, `die Monarchie und der Messianismus´, `die Prophetie´ und `das Gesetz´ werden noch als theologische Hauptthemen auf den Seiten 140-146 eindrucksvoll entfaltet. Zwei hilfreiche Tabellen zu den verschiedenen Redaktionsstraten im dtr Geschichtswerk (S. 147f) und zur Chronologie der Königsreiche Juda und Nordisrael (S. 149f), eine Bibliographie, zwei Register zu biblischen Stellen (S. 169-171) und zitierten Autoren (S. 172-174) beschließen die Forschungssumme Corteses zum dtr. Geschichtswerk. In besonderer Weise ist Cortese dafür zu danken, dieses so komplexe Thema in knapper Form und dazu noch in einer Sprache zu präsentieren, die die ganze Welt versteht (Englisch). Es gibt keine Entschuldigung mehr, diese weitsichtige Untersuchung zur dtr. Geschichte unberücksichtigt zu lassen.