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Recensione: Eduardo Labandeira, Trattato di diritto amministrativo canonico

 
 
 
Foto Schoch Nikolaus , Recensione: Eduardo Labandeira, Trattato di diritto amministrativo canonico, in Antonianum, 70/1 (1995) p. 130-133 .

Das Buch beabsichtigt, eine übersichtliche Darstellung aller Bereiche des kirch­lichen Verwaltungsrechts zu geben, was angesichts des großen Umfangs auch mög­lich erscheint. Es wurde von der vom « Opus Dei » gegründeten römischen Hoch­schule « Ateneo della Santa Croce », welche auch über eine kirchenrechtliche Fa­kultät verfügt, in italienischer Übersetzung der zweiten neubearbeiteten Auflage des spanischen Originals: « Tratado de derecho administrative canonico », (EUN-SA, Pamplona 1993) im berühmten Juristenverlag Giuffre in Mailand heraus­gegeben. Der von einer schweren Krankheit gezeichnete Autor konnte die Neu­bearbeitung nicht mehr selbst beenden. Diese Aufgabe übernahm Prof. Jorge Mi­ras.

Nach der Erörterung der kirchlichen Leitungs- oder Jurisdiktionsgewalt wen­det sich der Autor ausführlich dem kirchlichen Amt, von dessen Übertragung bis zum Verlust zu, wobei er die Entwicklung vor dem CIC 1917 bis zum aktuellen Ko­dex berücksichtigt. Weiters geht es um die Struktur der kirchlichen Verwaltungsor­gane auf der Ebene der Universalkirche, der Diözesen und der Pfarreien sowie um deren Beziehungen untereinander.

Das Prinzip der Legalität der Verwaltungsakte gilt auch innerhalb der Kirche, und übt eine kontrollierende Funktion gegenüber der Diskretionalität der Amtsträ­ger aus. Die Verwaltungsorgane sind, ebenso wie alle anderen Gläubigen, über die positiven Rechtsnormen hinaus dem natürlichen und positiven göttlichen Recht unterstellt.

Der Behandlung der kirchlichen Verwaltungsakte im Einzelnen geht die histo­rische Darlegung der Entwicklung von Sixtus V. bis zum Kodex von 1917 voraus. Der Autor lehnt die Unterscheidung zwischen Verwaltungsakt und politischem Akt auch für das Kirchenrecht ab, da es aufgrund ihrer Verschiedenheit bisher nicht aus­reichend gelungen ist, die politischen Akte zu definieren. Nach der Aufzählung der fünf Arten kirchlicher Verwaltungsakte im Kodex von 1983 werden deren Elemen­te ausführlich nach den Kriterien des Subjektes, des Inhalts, der Motivation und der Form analysiert, bevor es um deren Erstellung, Mitteilung, Durchführung und Wirksamkeit bzw. Ungültigkeit geht.

Lobenswert ist die Behandlung des Problems des Schweigens in der Verwal­tung (pp. 430-434), da es immer wieder Mißverständnisse hervorruft. Dieser Abschnitt wird bei der Rezension genauer behandelt, weil er sehr deutlich das me­thodologisch einwandfreie und äußerst klare juristische Denken des Autors zeigt.

Die Frage ist insofern von besonderer Bedeutung, als der Einzelne sich bei Verwal­tungsbeschwerden zunächst an den Autor des Dekretes selbst wenden muß, bevor er den hierarchische Rekurs zur übergeordneten Autorität einbringen kann. Das Schweigen kann als Fehlen oder als Ausdruck des Willens verstanden werden. Von praktischer Bedeutung ist vor allem das Letztere. In den gegenwärtigen Rechts­systemen ist der Verwaltungsakt eine formale Manifestation des Willens des Ver-waltungsorganes. Fehlt sie jedoch, darf sie nicht vermutet und das Schweigen des­halb nicht interpretiert werden. Das Schweigen kann positiv im Sinne einer Zustim­mung nach dem Prinzip « qui tacet consentire videtur » oder negativ als Ablehnung verstanden werden.Bereits nach der traditionellen Meinung der Gelehrten war die kirchliche Au­torität zur Beantwortung eines in der entsprechenden Form abgefaßten Rekurses verpflichtet. Die Pflicht war jedoch nur moralisch, nicht juristisch abgesichert. Im aktuellen Kodex legt der can. 57 § 1 die Pflicht zur Erlaß vom Gesetz vorgeschrie­bener Verwaltungsakte und damit auch die Pflicht zur Beantwortung eines Verwal­tungsrekurses fest, wofür allerdings nicht die Frist von drei Monaten (cf. can. 57 §1), sondern jene von dreißig Tagen (can. 1735) gilt. Andernfalls kann der Be­schwerdeführer gegen die zuständige Autorität gemäß can. 128 Klage auf Schaden­ersatz erheben. Es fehlt jedoch die genauere Angabe, daß bei der römischen Kurie die Fristen in der Praxis über drei Monate hinaus verlängert werden können, wenn der Rekurs einer besonderen Überprüfung bedarf. Es genügt hierfür, daß das Di-kasterium den Beschwerdeführer über die Verlängerung informiert (cf. Regola-mento Generale della Curia Romana, 4. Febr. 1992, Art. 120 § 2).

Die letzten beiden der elf Kapitel wenden sich den Verwaltungsbeschwerden zu. Zunächst werden die Arten des Rekurses unter historischem Gesichtspunkt analysiert: der hierarchische Rekurs, der außerordentliche Rekurs an den Papst und ähnliche Formen (z.B. das « beneficium novae audientiae »).

Bei der Darlegung des streitenden Verwaltungsrekurses geht der Verfasser von der Natur und den Grundprinzipien des Verwaltungsprozesses aus und be­schreibt die Organisation der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Berück­sichtigung des anglo-amerikanischen Systems der « rule of law », der Rechtspre­chung innerhalb der Verwaltung (Spanien), der von der Verwaltung abhängigen Verwaltungsgerichtshöfe (Frankreich), der von der Verwaltung unabhängigen Ver­waltungsgerichtshöfe (Deutschland) sowie der komplexen Systeme mit ordentlicher und spezieller Rechtsprechung (Belgien und Italien). Das kirchliche System wird zunächst historisch vom « Decretum Gratiani an erläutert, wobei der Autor sich in besonderer Aufmerksamkeit den Apostolischen Konstitutionen « Immensa aeterni Dei» aus dem Jahr 1587, « Sapienti Consilio » von 1908, « Regimini Ecclesiae Universae » von 1967 und schließlich « Pastor bonus » von 1988 widmet. Die Struk­tur der Apostolischen Signatur und deren Kompetenzen werden anhand der drei von « Pastor bonus » vorgesehenen Sektionen behandelt.

Nach den Motiven für die Verwaltungsbeschwerde werden die Rolle der am Prozeß beteiligten Personen sowie dessen Durchführung beschrieben, wobei die Verfahrensnormen an der Apostolischen Signatur mit besonderer Genauigkeit dar­gelegt werden.

Sehr klar aber knapp wird die Frage nach der « pars resistens » im Prozeß an der Apostolischen Signatur erklärt: wenn das Dikasterium den Akt einer unter­geordneten Autorität annulliert, verändert, ersetzt oder einen Rekurs abweist,

dann ist « pars resistens » allein das Dikasterium. Das gleiche gilt nach Ansicht des Autors, wenn es bei einer hierarchischen Beschwerde oder bei einer amtlichen Kontrolle einen Verwaltungsakt bestätigt. Die Ansicht, das Dikasterium sei eine unparteiische Schiedsrichterinstanz ist heute fast ganz aufgegeben und seine wahre Natur als aktives Verwaltungsorgan wird allgemein anerkannt.

Die zivilrechtlichen Autoren und die Mehrzahl unter den Kanonisten meinen, daß die Entscheidung oder Bestätigung des Dikasteriums den vorhergehenden Ver­waltungsakt der untergeordneten Autorität auf jeden Fall ersetzen würde. Die Ur­sache für den Widerstreit der Meinungen, wann das Dikasterium und wann die un­tergeordnete Autorität (meist der Ortsordinarius) « pars resistens » ist, liegt in der Ungenauigkeit und Widersprüchlichkeit der Judikatur der Apostolischen Signatur in bezug auf diese Frage.

Der Autor erwähnt leider nicht die durchaus ernstzunehmenden Argumente jener, die eine Ausnahme von dieser Regel zulassen und läßt sich auf keine Diskus­sion ein. Nach Ansicht einiger Kanonisten handelt das Dikasterium nämlich einfach als Kontrollorgan, wenn es einen Akt lediglich bestätigt. Eine genaue Anal­yse der Entscheidungen führt weiters zu dem Ergebnis, daß Beschwerden großteils nicht direkt gegen eine Bestätigung des Dikasteriums, sondern gegen den Ortsor­dinarius bzw. höheren Oberen gerichtet sind. Den meisten Entscheidungen der Apostolischen Signatur liegen Rechtsverletzungen von Seiten der untergeordneten Autorität und nicht des Dikasteriums zugrunde, wie Grocholewski zu Recht fest­stellt (vgl. Z. Grocholewski, La parte resistente nei processi contenzioso amministra-tivi presso la Segnatura Apostolica, apparuit in studiis in honorem P. Wesemann).

Abschließend wird eine Bewertung des Buches versucht. Im Vorwort werden dankenswerter Weise die Einschränkungen bei der Bearbeitung der Quellen erwähnt: die nach der ersten Auflage (1988) erschienene Bibliographie wurde ebenso wie der 1990 promulgierte « Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium », im Gegensatz zur Apostolische Konstitution « Pastor bonus » und den Ausführun­gsbestimmungen, nicht mehr eingearbeitet. Das knappe aber bis zum Jahr 1986 fast vollständige Literaturverzeichnis enthält mit Ausnahme von Werken Labandeiras selbst keinen Titel mehr, der nach 1986 erschien. Wenn man von den Gesetzestex­ten absieht, gibt das Buch den Stand der Diskussion vor acht Jahren wieder. Die Originalfassung von in Übersetzung zitierten Werken wurde leider nicht angege­ben. Die Verwaltungsstruktur im Ordensbereich sowie die von speziellen Normen geregelten administrativen Verfahren (Absetzung eines Pfarrers, Ausschluß eines Ordensmitglieds etc.) werden vom Autor kaum berücksichtigt, obwohl sie in der Praxis am häufigsten vorkommen.

Wesentlich gewichtiger als die zum Teil durch den vorzeitigen Tod des Autors bedingten Auslassungen sind jedoch die Stärken des Werkes. Das Buch zeichnet sich durch einen äußerst übersichtlichen Aufbau aus. Vom Anfang bis zum Ende der feinen Untergliederung des Stoffes kann ein streng logischer Zusammenhang ent­deckt werden. Überhaupt ist die Klarheit der Diktion und der Gedankenführung eine der Stärken des Buches. Die methodisch äußerst saubere, unpolemische und streng juristische Darlegung der Materie kann als vorbildlich bezeichnet werden.

Ein ständiger Vergleich mit den verschiedenen Theorien der Staatslehre und den Verfassungen der westeuropäischen Länder ermöglicht es, die Gemeinsamkei­ten und die Unterschiede im Bereich der Verwaltung von Kirche und Staat deutlich herauszustellen. So wird dem Leser die ganze Bandbreite der Möglichkeiten der

Organisation und der Arbeitsweise von Verwaltungen vor Augen gestellt, bevor die entsprechenden kirchlichen Normen erläutert werden. Nach Darlegung der ver­schiedenen Theorien zu den analysierten Themen äußert der Autor seine begrün­dete persönliche Meinung. Die Sprache der italienischen Übersetzung verwendet die gängige kanonistische Terminologie und erscheint gelungen. Dem Buch ist eine große Verbreitung sowohl unter den Praktikern als auch den Theoretikern des Verwaltungsrechts zu wünschen werden.