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Recensione: Martha Wegan, Ehescheidung mòglich?Auswege mit der Kirche. Mitpraktischen Hin-weisen

 
 
 
Foto Schoch Nikolaus , Recensione: Martha Wegan, Ehescheidung mòglich?Auswege mit der Kirche. Mitpraktischen Hin-weisen, in Antonianum, 70/1 (1995) p. 135-138 .

Das Buch der bekannten òsterreichischen Anwaltin am Gericht der ròmischen Rota versucht in einer auch fiir mit dem kanonischen Recht nicht Vertraute vers-tàndlichen Sprache alle Ehenichtigkeits- und die Eheauflòsungsgriinde darzulegen. Seit bereits zwanzig Jahren beràt und vertritt die Juristin Partner aus gescheiterten Ehen beim kirchlichen NichtigkeitsprozeG und verfugt daher ùber eine reiche pra-ktische Erfahrung. Die Autorin mòchte besonders jenen Eheleuten helfen, die von der Nichtigkeit ihrer Ehe ùberzeugt sind, jedoch meinen, sie nicht beweisen zu kòn-nen.

Das Buch ist fùr die Ehepartner in Schwierigkeiten gedacht, will jedoch darù-ber hinaus als Hilfe auch fiir die Seelsorger und die in der Ehe- und Familienpa-storal engagierten Laien dienen. Sehr positiv wirkt die in anderen Handbuchern oft fehlende Erwähnung der vor bzw. nach dem 27. Dezember 1983 geltenden Nor­men.

Nach den Ehenichtigkeitsgründen werden noch die Auflösung der Ehen durch das paulinische Privileg oder durch die Binde- und Lösegewalt des Papstes zugun­sten des Glaubens oder bei NichtVollzug einer sakramentalen Ehe behandelt. Die Autorin behandelt zwei Fälle mit Nennung der Namen, bei denen die Entscheidung der Rota für die Nichtigkeit der Ehe besonderes Aufsehen erregte: die Causa « Mar-coni - O'Brien» sowie aus jüngster Zeit Grimaldi - Junot. Die Ehenichtigkeits-gründe werden einzeln behandelt, alle Ehehindernisse und der kirchliche Ehenich­tigkeitsprozeß kurz geschildert.

Sehr hilfreich für fachlich nicht vorgebildete Leser erweist sich die Erklärung eines jeden Nichtigkeitsgrundes anhand von je nach Schwierigkeit eines oder meh­rerer konkreten Fälle. Es versteht sich von selbst, daß die Beispiele, die von echten Fällen abstrahiert wurden, ohne Angabe von Namen und Diözese und nur mit den zum Verständnis notwendigen Einzelheiten abgedruckt sind. Dabei gelingt es der Autorin sehr gut, romanhafte Ausschweifungen zu vermeiden und sich auf das ju­ristisch Wesentliche zu konzentrieren. Das Fehlen fremdsprachiger Zitate und des Abdrucks der Canones in der lateinischen Originalfassung erweist sich angesichts der angesprochenen Leserschaft als durchaus gerechtfertigt.

In bezug auf den früher kaum aktuellen, heute jedoch immer häufiger auftre­tenden Nichtigkeitsgrund des Ausschlusses der Sakramentalität heißt es, daß er frü­her nur im Zusammenhang mit dem Totalsimulation und dem Ausschluß der Ehe als solcher behandelt wurde. Nach dem neuen Kodex kann hingegen die sakramen­tale Würde auch allein ausgeschlossen werden. Es ist also möglich, unbedingt eine bestimmte Person kirchlich heiraten zu wollen und trotzdem die sakramentale Würde der Ehe positiv auszuschließen. Es handelt sich um den Ausschluß eines we­sentlichen Elementes der Ehe gemäß can. 1101 § 2 und damit um eine Form der Partialsimulation. Das Sakrament muß also ausdrücklich Gegenstand des Ausschlußwillens sein, während eine passive Ungläubigkeit allein nicht genügt. Ein persönlicher Glaube wird zur Gültigkeit des Sakramentes nicht vorausgesetzt, sehr wohl jedoch zu dessen Fruchtbarkeit.

Vom Gericht der Rota Romana bisher kaum behandelt wurde die arglistige Täuschung. Obwohl Richter der Rota wie Jose Serrano das Gegenteil behaupten, ist Martha Wegan zuzustimmen, wenn sie entsprechend der Empfehlung des Päpst­lichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten und der Ansicht der großen Mehrheit der Auditoren der Rota und des berühmten Jesuiten Urbano Navarrete, der 1986 seine Meinung in diese Richtung änderte, die Ansicht vertritt, daß es sich bei der arglistigen Täuschung um positives kirchliches Recht handelt.

Die zukünftige Bedingung ist, obwohl vom neuen Kodex verboten, für die Beurteilung von vor dem 27. November 1983 geschlossenen Ehen weiterhin von Bedeutung. Es gilt der can. 1092 des CIC von 1917.

Im Bereich von « vis et metus » gilt die Selbstmorddrohung des Partners für den Fall der Verweigerung der Eheschließung nicht als qualifizierte Furcht, da das Übel nur dem droht, der sich das Leben nimmt. Allerdings kann die Angst vor dem Gerede der Leute und dem Skandal auch für den anderen Partner zumindest subje­ktiv zur schweren Furcht werden und damit die Ehe ungültig machen.

Ausführlich behandelt wird die psychische Eheunfähigkeit und dabei beson­ders der schwere Mangel des Urteilsvermögens (unter anderem auch aufgrund von chronischem Alkoholismus und Drogenabhängigkeit) und die Eheführungsunfähig-keit. In diesem Zusammenhang wird die Ehefähigkeit der AIDS-Kranken untersucht, obwohl diese nicht automatisch psychisch eheunfähig sind, da es sich ja um eine körperliche Krankheit handelt. Dabei werden sie entgegen der Ansicht mancher Kanonisten nicht als von vorne herein eheunfähig gehalten, da die AIDS-Krankheit gegenwärtig kein Ehehindernis ist und nur von der obersten kirchlichen Autorität als solche bezeichnet und festgelegt werden könnte. Dennoch besteht kein Zweifel, daß die Ehen AIDS-Kranker oft indirekt nichtig sind und zwar: 1. wenn die Krankheit dem anderen Partner vor der Ehe arglistig verschwiegen wur­de; 2. wenn unter der Bedingung geheiratet wurde, daß der andere Partner nicht an dieser Immunschwäche leidet; 3. wenn wegen der Ansteckungsgefahr vorsätzlich und für immer die Nachkommenschaft ausgeschlossen wurde; 4. wenn der gesunde Partner irrtümlich der Ansicht war, der andere Partner sei gesund, und wenn er ihn ohne dessen Freiheit von dieser Krankheit ihn nicht geheiratet hätte (Eigenschafts­irrtum).

Unter den Ehehindernissen ist die Impotenz in der gerichtlichen Praxis am be­deutsamsten. Von Seiten des Mannes wird die Fähigkeit zu drei Elementen des ge­schlechtlichen Verkehrs verlangt: « erectio », penetratio » und « eiaculatio in vas mulieris ». Dabei ist nach dem Dekret der Glaubenskongregation vom 13. Mai 1977 die Ejakulation irgendeiner im Hoden erzeugten Flüssigkeit für den Vollzug ausreichend. Es bedarf keines « verum semen ». Auch hier folgt die Autorin der Ansicht der Mehrheit der Rota-Richter, daß das Dekret positiven Rechts ist und damit nur Ehen betrifft, die vor diesem Datum geschlossen wurden, obwohl die Fach­leute in dieser Frage noch zu keiner Einigung gelangt sind. Dabei ist die Angabe des Datums etwas ungenau, da drei Monate gemäß can. 9 CIC 1917 als Promulga-tionsfrist gerechnet wurden, sofern vom Gesetzgeber keine andere Frist vorgesehen war. Das bedeutet, das das am 13. Mai 1977 erlassene Dekret der Glaubenskongre­gation erst am 13. August 1977 in Kraft trat und damit erst ab diesem Datum ge­schlossene Ehen betrifft. Der Vaginismus der Frau wird als funktionelle Impotenz und damit als heilbar betrachtet und macht die Ehe daher nicht ungültig.

Das Ehehindemis der Blutsverwandtschaft beruht auf dem genetischen Ur­sprung: Entscheidend ist die Herkunft der männlichen und der weiblichen Game­ten von Blutsverwandten. Daher macht die natürliche oder künstliche Weise der Zeugung keinen Unterschied. Auch bei künstlicher Befruchtung bleibt das natürli­che Ehehindernis in der geraden und bis zum vierten Grad der Seitenlinie aufrecht. Eine Frau, die mit dem Samen aus einer Samenbank künstlich befruchtet wurde, ist als Mutter des ausgetragenen Kindes mit ihm blutsverwandt; ebenso der Mann, von dem der Same stammt, obwohl das Kind durch keinen ehelichen Akt gezeugt wur­de, und der Mann vielleicht weder der Mutter noch dem Kind bekannt ist. Eine Er­satzmutter hingegen, die das Kind nur entgeltlich oder unentgeltlich austrägt, ist mit dem ausgetragenen Kind jedoch in keiner Weise blutsverwandt.

Wünschenswert wäre eine vollständigere Zitation der in geringer Anzahl an jedes Kapitel angehängten Literaturstellen. Es sollten zu Autor und Titel noch die Zeitschrift und die Seiten bzw. der Erscheinungsort und das Jahr hinzugefügt wer­den. Zweifellos wird der Anhang als äußerst nützlich empfunden, in dem die Au­torin die deutschsprachigen Gerichte erster und zweiter Instanz mit Adresse angibt, zusammen mit den geschätzten für das Jahr 1993 geltenden Prozeßkosten, die nach Instanzen getrennt und unter Berücksichtigung der Sachverständigen-Gutachten auf gelistet werden. Die Liste ist vollständig für Deutschland, Osterreich, die Schweiz und Südtirol und enthält auch die Telefonnummern.

Wegen der fachlichen Präzision und der Wiedergabe des neuesten Stands der kanonistischen Wissenschaft sowie der Übereinstimmung mit der vorherrschenden Rota Judikatur bildet dieses Buch eine hervorragende Brücke zwischen der Kir­chenrechtswissenschaft auf der einen Seite und der praktischen Anwendung für das persönliche Familienleben, die Familienpastoral und den Eheprozeß auf der ande­ren Seite. Dem Buch ist aufgrund seiner Genauigkeit, Verständlichkeit und Praxis­nähe eine große Verbreitung zu wünschen.