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Recensione: PETER ERDÖ, Teologia cid diritto canonico: un approccio storico-istituzionale (Collum di studi di diritto canonico ed ecclesiastico, sezione canonistica, n. 17), con pref. di Rinaldo Bertolino

 
 
 
Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: PETER ERDÖ, Teologia cid diritto canonico: un approccio storico-istituzionale (Collum di studi di diritto canonico ed ecclesiastico, sezione canonistica, n. 17), con pref. di Rinaldo Bertolino , in Antonianum, 73/1 (1998) p. 183-185 .

Erdö, Dekan der Theologischen Fakultät und Präsident des Kirchen rechtli­chen Instituts der Katholischen Peter-Päzmäny-Universität in Budapest, geht in sei­ner Studie dem theologischen Sinn des Kirchenrechts nach. Er teilt sein Werk in vier Kapitel auf: Die Theologie des Kirchenrechts als autonome Disziplin (S. 7-51); Das Recht und die theologische Wirklichkeit der Kirche (S. 53-145); Methodologi­sche Konsequenzen (S. 147-161); Zusammenfassung (S. 163-168). Es folgen die zi­tierte Bibliographie (S. 169-190), ein Namens- (S. 191-193) sowie ein Stichwortver­zeichnis (S. 195-211). Die einzelnen Abschnitte des gesamten Textes sind durchnu­meriert, so daß sehr gezielte Hinweise möglich sind.

Die Theologie des Kirchenrechts, so führt Erdö aus, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenen selbständigen Disziplin entwickelt. Sie gehört nicht zum Kirchenrecht. Denn sie untersucht nicht das Kirchenrecht nach juristischen Kriterien, sondern sucht aus theologischer Sicht das religiöse Fundament und den religiösen Wert der einzelnen Rechtsinstitutionen im Leben der Kirche zu erhellen. Somit gehört sie zur Ekklesiologie.

In der Urkirche bilden die verschiedenen Aspekte der christlichen Lehre, nämlich der dogmatische, moralische, liturgische und rechtliche Aspekt, eine Ein­heit. Der Glaube wird gleichzeitig auch in seinen displinären Aspekten dargelegt. Ab dem 3. Jh. beginnt man, den Glaubensinhalt und die Wirklichkeit der Kirche sy­stematisch zu bewerten, und zwar mit Hilfe der regula fidei (Irenaeus, Tertullianus) und der regula ecclesiastica (Origenes) bzw. der traditio apostolica (Hippolytus). Und auch hier wird bei allen Diskussionen um die einzelnen kirchlichen Institutio­nen stets nach dem theologischen Wert der Normen und Institutionen gefragt. Erst als sich im 12. Jh. das Kirchenrecht zu einer eigenen Disziplin entwickelt, nistet es sich technisch immer mehr in das neuerwachte römische Recht ein. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, den theologischen Gehalt der kirchenrecJjtlichen Wirk­lichkeit zu eruieren.

Eine erste massive Reaktion auf diese Situation sind die spiritualistischen Tendenzen des Protestantismus. Obwohl Luther selbst die Notwendigkeit einer kirchlichen Ordnung unterstreicht, einer Ordnung, die ihr tiefstes Fundament in der Caritas und im consensus fraternus besitzt, steigert sich der Protestantismus zu einem rein spiritualistischen Denken bis hin zur rigorosen Ablehnung jeglichen Rechtes (Rudolph Sohm). Aber dem liegen zwei Irrtümer zugrunde: zum einen ein ausschließlich positivistischer Rechtsbegriff, zum anderen die irrige Sicht von der Urkirche, die angeblich eine rein charismatische Struktur, keine Rechtsstruktur be­sessen habe. Der moderne Protestantismus sucht deshalb diese Irrtümer zu über­winden und zurückzufinden zu einem wahren Recht der Kirche. Dieses Recht gründet auf dem gleichen Fundament wie die Kirche selbst, nämlich auf dem Ereig­nis, daß Gott sich in Jesus Christus mit der Welt versöhnt hat (Karl Barth, Johan­nes Heckel, Erik Wolf, Hans Dombois).

Auf katholischer Seite versucht man im ausgehenden Mittelalter und zu Be­ginn der Neuzeit durch ausführliche theologisch-kanonistische Vertiefungen der drohenden Verweltlichung des Kirchenrechts durch das römische Recht zu wehren und immer wieder neu den theologischen Gehalt der kirchenrechtlichen Vorschrif­ten sichtbar zu machen. Gegen den übermächtigen der Theologie feindlichen Druck des Absolutismus und der Aufklärung kann dieses Vorgehen aber nicht mehr genügen. Intensive Überlegungen zu einer grundlegenden Theologie des Kir­chenrechts werden nun vorgetragen, und zwar, wie es naheliegt, im Rahmen des ius publicum ecdesiasticum (Johannes Limneus [Schrift 1699]; später Georg Christoph Neiler [+ 1783], Kard. John Henry Newman [+ 1890]; in unserem Jahrhundert Kard. Alfredo Ottaviani [+1979]). Als für das Vaticanum II die theologische Refle­xion des Kirchenrechts zu einer zentralen Frage wird und Papst Johannes Paul II. in seiner Promulgationsbulle zum Codex Iuris Canonici das Kirchenrecht «auf das rechtliche und gesetzgeberische Erbe der Offenbarung und der Tradition stützt» und in den Normen ein Mittel zur «Ausübung des der Kirche anvertrauten dreifa­chen Dienstes» sieht, bildet sich die Theologie des Kirchenrechts sogar zu einer ei­genen selbständigen Disziplin heraus.

Doch damit ist die Jahrhunderte währende Gefahr für die Sicht des Kirchen­rechts nicht gebannt. Denn nicht alle Fachvertreter stimmen dem theologischen Verständnis des Kirchenrechts zu. Nicht wenige unter ihnen setzen sich auch heute für ein eher enttheologisiertes, positivistisches Verständnis des Kirchenrechts ein. Zu diesen gehören Vincenzo Del Giudice, Pietro A. D'Avack, Orio Giacchi und Pietro Gismondi. In gewisser Weise können Ansätze dazu auch bei Pio Fedele, Jose Maldonado und Carl Gerold Fürst gefunden werden. Ja sogar Georg May, Anna Egler, Hans Heimerl und Helmuth Pree scheinen nicht ganz frei davon zu sein. Teodoro Jimenez Urresti, Giuseppe Alberigo, Luciano Martini, Alessandra Ippoliti und vor allem Peter Huizing bilden eine harte Phalanx zur radikalen Beseitigung je­der Beziehung des Kirchenrechts zur Theologie.

Diese Angriffe auf das theologische Verständnis des Kirchenrechts bleiben je­doch nicht unwidersprochen. Als erste greift die Münchener Schule den Fehde­handschuh auf: Klaus Mörsdorf, Winfried Aymans, Eugenio Corecco, Antonio Ma­ria Rouco Varela, Erzbischof von Madrid, Remigiusz Sobahski und in der Folge von Corecco Libero Gerosa. Für sie alle gilt das Wort Aymans: «Die Erkenntnis­quelle für das kirchliche Gesetz ist einzig die vom Magisterium überlieferte Offen­barung, also der Glaube. Der Gesetzgeber handelt nur gemäß dem, was der Glau­bensinhalt (fides quae) ihm vorschreibt». Sodann ist hier die sog. «Schule von Na-varra» zu nennen: Pedro Lombardia und Javier Hervada. Sie setzen zwar das Kir­chenrecht hauptsächlich mit dem Naturgesetz in Verbindung, aber immer mit dem gleichzeitigen Blick auf die theologische Wirklichkeit der Kirche. Ähnlich in Nord­amerika Läszlö Örsy, der in echt angelsächsischer Manier von den soziolo­gischen Gegebenheiten ausgeht, aber dabei auch dann gleichzeitig bei der Frage nach der Richtigkeit des Gesetzes die Theologie heranzieht. Ihm folgt Myriam Wij-lens. In Italien verdienen herausgehoben zu werden Dario Composta, Gianfranco Ghirlanda, Francesco Coccopalmerio, Jean Beyer und Ernesto Cappellini. Sie grei­fen vor allem auf die zeitgenössischen Verlautbarungen des Magisteriums zurück. So formt sich unaufhaltsam eine immer größere Gegenphalanx gegen die positivi­stische Ausrichtung, für die theologische Sicht des Kirchenrechts.

Erdö hat zweifellos eine große Gefahr für die Interpretation des Kirchen­rechts erkannt und in seinen historischen und systematischen Ausführungen einen gut fundierten Gegenpol geschaffen. Rinaldo Bartolino ist zuzustimmen, wenn er in seinem Geleitwort zusammenfaßt: «Erdös Studie ist nicht nur das Hauptwerk der ungarischen Kirchenrechtswissenschaft, ihr ist auch ein Platz in der bedeutend­sten kanonistischen Gegenwartsliteratur sicher» (S. XIII).