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Miscellanea: Der Studienaufenthalt der beiden Franziskaner Teofilo Domenichelli und Marcellino da Civezza im Collegio S.Antonio

 
 
 
Foto Grafinger Christine Maria , Miscellanea: Der Studienaufenthalt der beiden Franziskaner Teofilo Domenichelli und Marcellino da Civezza im Collegio S.Antonio, in Antonianum, 69/2-3 (1994) p. 315-321 .

SOMMARIO: Questo contributo si riallaccia all'articolo di I. Väzquez di Antonianum 66 (1991) 563-582 e lumeggia ulteriormente la figura dei due francescani dell'Ateneo Anto­nianum, protagonisti di un grande evento culturale.

A. Danteforschung

Mehrfach waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts Angehörige der franziskanischen Ordensgemeinschaft wissenschaftlich tätig und publizier­ten in erster Linie Werke zu ihrer Ordensgeschichte. Zu ihnen gehörte Marcellino da Civezza1, der eine außerordentlich rege literarische Aktivität entfaltete. In fünfzig Jahren wissenschaftlicher Tätigkeit veröffentlichte er mehr als 140 Publikationen theologischen, philosophischen und literari­schen Inhalts und bereitete Editionen zahlreicher bislang noch unveröffent­lichter theologischer und literarischer Texte vor2. Seit dem 10. Dezember 1887 wohnten die beiden Franziskaner, Marcellino da Civezza und Teofilo Domenichelli, in dem neu errichteten Collegio S. Antonio in der Via Me-rulana, um in Rom ihre Studien zu betreiben3. Bald nach ihrer Ankunft in der« Ewigen Stadt » übertrug ihnen Papst Leo XIII. (1878-1903) die Her­ausgabe der lateinischen Version der « Divina Commedia ». Marcellino da Civezza hatte bereits im Jahre 1887 auf päpstlichen Wunsch ein dreibändi­ges Werk zum römischen Pontifikat in der italienischen Geschichte4 veröf­fentlicht. Leo XIII., selbst Latinist und Literat, wollte, daß der vom Fran­ziskaner Giovanni Bertoldi da Serravalle5 erstellte lateinische und in der Biblioteca Vaticana Apostolica verwahrte Text der Göttlichen Kommödie veröffentlicht werde. Der Papst beauftragte auf Anraten seines Neffen, des Grafen Ludovico Pecci, die beiden Franziskaner, Marcellino da Civezza und Teofilo Domenichelli, mit der Edition dieser lateinischen Version6.

Der lateinische Text der « Divina Commedia » entstand auf dem Kon­zil von Konstanz (1414-1418), zu dem Giovanni da Serravalle als Vertreter - in seiner Funktion als Bischof von Fermo - entsandt worden war. Der Franziskaner wurde von Kardinal Amadeo di Saluzzo und den beiden eng­lischen Bischöfen Nicholas Bubwyck und Robert Halam, die des Italieni­schen nicht mächtig waren, aufgefordert, das Dant'sche Werk ins Lateini­sche zu übersetzen7. Der Bischof von Fermo begann mit der Übersetzung der Göttlichen Kommödie im Jänner 1416 und schloß sie bereits im Mai desselben Jahres ab. Er erstellte darüber hinaus einen Kommentarteil im Zeitraum vom 1. Februar 1416 bis zum 6. Jänner 14178. Dieser lateinische Kommentar des Franziskaners ist eines der wichtigsten literarischen Zeu­gnisse einer Interpretation des Dant'schen Werkes: « E questo uno dei migliori commenti fatti non molto dopo la morte di Dante, ed e importantis-simo per la storia e la critica letteraria, avuto specialmente riguardo alla sua acutezza ed originalitä; benche Fautore dia forse troppo ascolto alla leggenda popolare che a si poca distanza della morte del Poeta, e per la portata dei tempi, ancora circondava la sua grande figura »9. Von dieser la­teinischen Version der « Divina Commedia » wurden drei Abschriften an­gefertigt, von denen eine in Erlau in Ungarn, eine im British Museum in London und die vollständigste und bedeutendste in der Vatikanischen Bi­bliothek verwahrt werden10. Der bislang noch unedierte Text der Vatikani­schen Handschrift Capponiana 1" sollte auf Wunsch des Papstes von Mar-cellino da Civezza, der sich bereits mit dem Werk Dantes beschäftigt hat­te12, herausgegeben werden.

Am 7. Mai 1888 wurden die beiden Franziskaner von Leo XIII. in ei­ner Audienz empfangen. Sie zeigten dem Papst zusammen mit dem Vertre­ter der Biblioteca Vaticana, Monsignore Stefano Ciccolini, die Hand­schrift, und der Heilige Vater äußerte den Wunsch, daß dieser Codex ediert werden sollte. « All'ora prefinita si trovarono nell'anticamera i due sopranominati Padri ed il prefetto col Codice. II Santo Padre ammessili alla Sua Presenza, svolse il Codice, e dai presenti ebbe tutte le informazioni ne-cessarie. Allora Sua Santitä disse che era Sua volontä che il Codice si desse alla Stampa della Tipografia Vaticana. Intanto i Padri facessero un preventivo della spesa necessaria all'impresa, ed eseguissero un saggio del come s'intendesse condurre la edizione, e di tutto rendessero consapevole la San­titä Sua acciö potesse prendere la soluzione definitiva. Intanto ordinö a Monsignore Prefetto di consegnare al Padre Marcellino il Codice Dantesco per averlo presso di se per agevolarsene la trascrizione e lo studio. Discesi in Biblioteca Monsignore Ciccolini consegnö al P. Marcellino il Codice, e secondo gli ordini avuti dal Santo Padre, ne fece distendere al medesimo la dicbiarazione di ricevuto, facendovi notare tutte le paticolaritä che lo di-stinguono... »13.

Zur Transkription des Textes der Handschrift und zur Druckvorberei­tung borgten sich die beiden Franziskaner den Codex aus der Vatikani­schen Bibliothek aus, um intensiver an der Erstellung eines druckfertigen Textes arbeiten zu könnnen.

Anträge, Handschriften zu kopieren, mußten seit der von Pius IX. (1846-1878) am 20. Oktober 1851 erlassenen Bibliotheksorder ausdrücklich genehmigt werden. Die Genehmigung erfolgte in Form einer Anweisung des Staatssekretariats an die Bibliotheksleitung14. Marcellino da Civezza stellte Anfang Mai 1888 den Antrag, Handschriften aus der Vatikanischen Bibliothek für seine Studien benützen zu dürfen15. Der Präfekt der Biblio-teca Vaticana informierte den Kardinalstaatssekretär in einem Schreiben vom 23. Mai 1888 vom Wunsch der beiden Franziskaner: « II P. Marcel­lino da Civezza ed il P. Teofilo Domenichelli, Minori Osservanti del con-vento di S. Antonio in via Merulana, desiderano avere della Biblioteca Vaticana la Divina Commedia di Dante coi commenti di Stefano Talice di Ricaldone16, pubblicata recentemente a Torino in ristretto numero di esemplari non posti in commercio. I detti Padri per benigna concessione di Sua Santitä ritengono il Codice Vaticano-Capponiano che contiene il Divino Poema voltato e commentato in latino da Monsignore Giovanni da Serravalla, Arcivescovo di Fermo, e lo stanno copiando e studiando per farne la pubblicazione sotto gli auspicii del Santo Padre. essendo il lavoro del Talice, l'ultimo nella serie dei Commentatori che scrissero latinamen-te, ed appartenendo agli editori francescani averlo fra le mani per consultarlo il bisogno... »17. Einige Tage später erteilte der Kardinalstaatssekre­tär Rampollo del Tindaro den beiden Franziskanern die Erlaubnis, die ge­wünschte Handschrift aus der Vatikanischen Bibliothek auszuborgen: « ... la Sua Santitä si e degnata di autorizzare la implorata consegna della Di­vina Commedia di Dante con i commenti di Stefano Talice di Ricaldone, e di concedere al Prefetto della Biblioteca Vaticana le opportune facoltä, affinche sia fatta tal consegna ai suddetti Religiosi, osservate quelle cautele che sono di uso in casi consimili... »18. Marcellino da Civezza bestäti­gte am 1. Juni 1888 die Übernahme des von Stefano Talice da Ricaldone erstellten Kommentars der Göttlichen Kommödie19. Außerdem wollten die beiden Herausgeber für ihr Studium den im 18. Jahrhundert erschienenen Druck der « Divina Commedia » mit Kommentarteil20 ausborgen21. Teofilo Domenichelli bestätigte am 16. Oktober 1889 die Übernahme die­ses Druckes22.

Der lateinischen Übersetzung und Interpretation von Giovanni da Serravalle wollte Marcellino da Civezza eine italienische bislang noch nicht edierte Version der Göttlichen Kommödie gegenüberstellen. Dieser Texte wurde ebenfalls von einem Franziskaner, von Bartolomeo da Colle23, ge­schrieben24. Die Handschrift mit dem italienischen Kommentar25 erhielt Marcellino da Civezza am 29. Mai 1888 zum Studium ausgehändigt26.

Bei der Lösung von Fragen, die bei der Transkription und Interpreta­tion der beiden Texte auftauchten, stand der langjährige Sekretär der Ac-cademia della Crusca Cesare Guasti27 zur Verfügung28. Der Papst wünsch­te, daß diese Dante-Ausgabe in der Tipographia Vaticana mit besonders schönen Lettern gedruckt werden sollte29. Die Auflage wurde auf 1000 Lu­xusexemplare berechnet, darüber hinaus sollten 200 Prunkexemplare, die europäischen Persönlichkeiten überreicht werden sollten, hergestellt wer­den30. Die Drucklegung verzögerte sich jedoch dermaßen, daß Marcellino da Civezza sogar an eine Edition auf eigene Kosten ins Auge faßte31. Auf­grund finanzieller Schwierigkeiten war das Manuskript nicht an die Tipo-graphie Vaticana zur Drucklegung gegeben worden, sondern eine toskani-sche Druckerei in Prato wurde damit beauftragt32. Schließlich konnte die DanteAusgabe, ein schöner und prächtig gebundener Druck, am 15.

Oktober 1891 dem Papst von den beiden Franziskanern überreicht werden. Zu diesem Ereignis notierte der Ordensgeneral Luigi da Palma: « ... P. Marcellino da Civezza e P. Teofilo Domenichelli ebbero udienza pontificia e presentarono al Santo Padre la pubblicazione della Traduzione e Com-mento di Dante, fatto da un Francescano da Serravalle del secolo XV, co-dice finora inedito che si conserva nella Vaticana. E un lavoro ingente che e costato ai detti due Padri due anni e mezzo di fatiche improbe. L'edizio-ne fatta a Prato da Giacchetti e riuscita molto bene ed e costata un 13. o 14.000 Lire, mentre alla Tipografia Vaticana se ne chiedevano un 100.000 circa »33. Am 3. April 1892 lobte der Papst persönlich in einem Brief an Marcellino da Civezza die Verdienste, die sich die beiden Franziskaner bei der Herausgabe der lateinischen Version und des italienischen Kommen­tars der Göttlichen Kommödie erworben haben, mit folgenden Worten: « Illud recentius, nee exiguae molis opus, in quo tecum elaboravit Theofili Domenichelli, colleguae tui, industria diligens, intelligensque Judicium: apographon intelligimus divini poematis es praeclaro codice Vaticano, cum interpretatione latina atque explanatione Joannis Serravallensis, nunc pri-mum opera vestra editum Ita quidem eultor pius, idemque laudator grandi loquus Francisci Patris Dantes, inter ipsos Francisci alumnos, quemadmo-dum saepe alias, ita nuper nactus est, qui in illustrando propagandoque opere ipsius maximo libentes atque alacres, velut gratiam relaturi, insuda-rent. Sed in eo etiam operae pretium videmini fecisse, quod vestro confir-matum exemplo est, Religiosos viros, quos tarn süperbe, recens fastidit ae-tas, pergere more suo de litteris, de omni politiore humanitate mereri... »34. Die beiden Franziskaner leisteten mit dieser Edition einen wichtigen Bei­trag zur Dante-Forschung35. Die Bedeutung dieser Ausgabe wurde bereits von den Zeitgenossen erkannt und in folgender Weise gewürdigt: « Sicco-me il testo del Beato da Colle ha singolari riscontri con quello usato dal Serravalle, hanno fatto benissimo gli editori a dargli la preferenza. Nell'o-pera tanto laboriosa della sua interpunzione, e nel curarne la stampa, e sta-to poi loro di grande aiuto il eh. dantista Isidoro de Lungo... Terminerö plaudendo ai chiarissimi P. Marcellino da Civezza e P. Teofilo Domeni­chelli; ed alla munificenza sovrana del Santo Padre, che ha dato gli ordini, e fornito le spese della pubblicazione »36.

B. Geschichte der Franziskaner in Palästina

Zur selben Zeit arbeiteten die beiden Franziskaner an einer umfang­reichen Geschichte der Franziskanermission in Palästina37. Zum näheren Studium der Verhältnisse im Heiligen Land borgten sie sich auch Hand­schriften aus der Biblioteca Vaticana aus. Teofilo Domenichelli bestätigte am 7. Jänner 1890 den Codex mit der Signatur 9233 unter dem Titel « Liber de Sancta Civitate Jerusalem »38 aus den Händen von Monsignore Isido Ca­rbi erhalten zu haben39. Im Laufe ihrer Publikationsvorbereitung wollten sie die Handschrift aus der Bibliothek der Königin Christine von Schweden mit der Signatur 55840 eingehender studieren und baten den Kardinalstaa­tssekretär, die Handschrift in das Collegio S. Antonio in der Via Merulana bringen zu dürfen: « I sottoscritti, Padri Marcellino da Civezza e Teofilo Domenichelli, Minori Osservanti, dovendo per i loro studi, leggere e consul-tare lungamente il Ms segnato n° 558 della Biblioteca della Regina di Svezia, esistente nella Biblioteca Vaticana, e tra per la distanza e per le brevi ore in cui la Biblioteca suddetta sta aperta, essendo quasi impossibile farlo nel Va-ticano, supplicano venga loro concesso di avere detto Manoscritto per poche settimane nel Collegio di Sant'Antonio qui in Roma, dove sarä gelosissima-mente custodito ed a suo tempo fedelmente restituito... »41.

Die an die Biblioteca Vaticana gerichteten Anträge Marcellinos da Ci-vezzas und seines Mitarbeiters Teofilo Domenichelli, Handschriften zum Studium auszuborgen, werfen ein Licht auf die wissenschaftliche Tätigkeit der Angehörigen des neu errichteten Collegio S. Antonio in der Via Me­rulana. Die beiden Patres benötigten diese Bücher zum einen für ihre großangelegte Missionsgeschichte der Franziskaner im Heiligen Land und zum andern gaben sie auf päpstlichen Wunsch die lateinische Version und den italienischen Kommentar der Göttlichen Kommödie, die ebenfalls von Franziskanern verfaßt worden waren, heraus. Mit diesen Publikationen lei­steten sie einen wesentlichen Beitrag zu den wissenschaftlichen Aktivitäten des neugegründeten Collegio S. Antonio.