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Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: Lutero e i linguaggi dell'Occidente: atti del convegno tenuto a Trento dal 29 al 31 maggio 2000, pref., coord. e red. di Giuseppe BESCHIN - Fabrizio CAMBI - Luca CRISTELLON, in Antonianum, 80/1 (2005) p. 183-187 .

Im Mai 2000 veranstaltete die Fakultät für philologische und historische Wissenschaften der Universität Trient einen Kongress zum Forschungsthema «Luther und die Ausdrucksweisen des Abendlandes». Es sollte dabei um den Einfluss Luthers auf die abendländische Kultur unter all ihren Aspekten gehen: unter dem theologischen, spirituellen, philosophischen, sprach- und literaturwissenschaftlichen, musikalischen und ikonographischen Aspekt. Der Kongress wollte über die theologische Auseinandersetzung hinaus ebenfalls, und das auch aus der Sicht von Nicht-Theologen, die kulturellen Implikationen ins Auge fassen. Bei der überwiegenden Zahl der Nicht-Theologen, die dann dabei zu Worte kamen, konnte Luigi Sartori in seiner Einführung den Kongress sogar als einen «convegno laico-culturale” (S. 12) bezeichnen. 22 Referate beleuchten in den jetzt hier vorliegenden Kongressakten ein weitgespanntes Spektrum:

Luigi Sartori, Presentazione (S. 12-16); Paul Ricoeur, Dal Concilio di Trento al Convegno di Trento (S. 17-23); Heiko A. Oberman, Lutero e la «via moderna»: la svolta della Riforma e il suo sfondo filosofico (S. 25-56); Alessandro Ghisalberti, Dalla «via moderna” alla «via antiqua” (S. 57-71); Giancarlo Pani, L'autografo di Lutero sulla «Lettera ai Romani»: un progetto di Riforma? (S. 73-97); Sergio Rostagno, Ontologia e linguaggio nel discorso luterano (S. 99-128); Karl-Heinz zur Mühlen, L'antropologia di Martin Lutero alla luce dell'escatologia (S. 129-148); Mario Galzignato, La giustificazione-evangelo negli scritti giovanili di Martin Lutero (1509-1516) (S. 149-176); Emanuele Banfi, Vicende e politiche linguistiche nell'Europa del periodo della Riforma (S. 177-192); Federico Albano Leoni, Lutero e la storia della lingua tedesca (S. 193-211); Sebastian Seyfert, L'influsso delle fonti latine sulla formazione dei testi nelle redazioni della Bibbia di Martin Lutero (1522-1545): su alcune tracce dei suoi testi di riferimento nelle varianti delle traduzioni (S. 213-238); Heinrich Magirius, La Riforma di Martin Lutero e i suoi effetti sull'arte dell'epoca (S. 239-256); Johannes Erichsen, Lutero e le immagini (S. 257-276); Jos E. Vercruysse, Lutero nella teologia e nella storiografia cattolica del Novecento (S. 277-298); Giampiero Bof, Barth e Lutero (S. 299-329); Andrea Poma, Leibniz e l'unità delle chiese (S. 331-341); Marco Ivaldo, Fichte e la Riforma (S. 343-368); Fortunato M. Cacciatore, Hegel e il protestantesimo: eticità, religione, filosofia (S. 369-385); Alberto Gallas, E' Lutero un dialettico?: l'evoluzione del giudizio di Kierkegaard sul Riformatore di Wittenberg (S. 387-409); Horst Georg Pöhlmann, La presenza della lingua di Lutero in Friedrich Nietzsche (S. 411-421); Giuseppe Cantillo, Luteranesimo e mondo moderno in Ernst Troeltsch (S. 423-438); Marco Gozzi, «Cantus planus» e «Kirchengesenge Deudtsch», quali dipendenze? (S. 439-468).

Nur einige wenige Beiträge können aus dieser Fülle herausgegriffen und vorgestellt werden.

Giancarlo Pani erinnert an die Wiederauffindung, vor 100 Jahren, des Manuskriptes der Römerbriefvorlesung Luthers. 1899 stieß man durch Zufall in der Vatikanbibliothek auf eine Kopie der Glossen Luthers zum Römerbrief. Sie war während des Dreißigjährigen Krieges dorthin gelangt. Später entdeckte man dann in Berlin in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Luthers Manuskript von seiner Vorlesung über den Römerbrief, die er von 1515 bis 1516 gehalten hat. Das Manuskript befand sich in der Staatsbibliothek schon seit über 20 Jahren offen sichtbar in einer Ausstellung, die 1883 aus Anlass des vierhundertsten Jahrestages der Geburt Martin Luthers eröffnet worden war. In dieser Vorlesung werden bereits alle Grundthemen der Reformation behandelt.

Mario Galzignato verfolgt die Entwicklung des Verständnisses von «Rechtfertigung - Evangelium» in den frühen Schriften Luthers. Wiederholt weist Luther darauf hin, dass er seine Theologie nicht auf einmal gefunden hat, sondern nur allmählich durch zahlreiche Anfechtungen - «tentationes» - hindurch zu ihr gelangt ist: «Sola ... experientia facit theologum” (S. 150). Es gilt deshalb, der durchlebten Theologie Luthers nachzuspüren. Die legalistische und fast pelagianische Rechtfertigungslehre seines Lehrers Gabriel Biel erweist sich dabei als die Hauptursache seiner tiefen Ängste. Luther bezeichnet diese Rechtfertigungslehre als «carnifex ... conscientiarum Theologistria” (S. 155). In einem geradezu dramatischen Prozess gelangt er zu der befreienden Erkenntnis, dass das Seelenheil ein reines Geschenk Gottes, eben sein Erbarmen ist: sola gratia; dass, um das eigene Seelenheil zu erlangen, nichts dem Willen des Menschen überlassen bleiben darf: nullum liberum arbitrium coram Deo; dass Gesetz und Evangelium in absoluter Weise geschieden werden müssen und dass das Evangelium von jeglichem legalistischen Element gereinigt werden muss: «Praecepta in Evangelio ... non sunt Evangelium» (157). Bereits bis Ende des Jahres 1516 ist in ihm diese Überzeugung voll herangereift: die Rechtfertigung als «eu-angelium», als gute und frohe Botschaft.  

Federico Albano Leoni fragt nach der Bedeutung Luthers für die Entwicklung der deutschen Sprache. Im Unterschied zum Englischen und Französischen, die wegen der frühen staatlichen Einheit Nationalsprachen waren, ist die deutsche Sprache das Ergebnis eines langen und langsamen Ausgleichprozesses innerhalb eines großen (irgendwie «deutschen») Sprachraumes und Kulturraumes mit sehr verschiedenen sprachlichen und staatlichen Zentren. Der Ausdruck «deutsch» leitet sich aus den lateinischen Formen «theodiscus», «theodisca lingua», «theodisce» ab, die ihre Wurzeln in den germanischen Begriffen «theud» (Volk), «theudisk” (zum Volk gehörig) haben. Eine solche lateinische Form erscheint zum ersten Mal in einem Dokument einer angelsächsischen Synode des 8. Jhs., die entscheidet, dass der Gottesdienst «tam latine quam theodisce” gefeiert werden solle. Erst ab dem 19. Jh. wird mit «deutsch» auch eine politisch-staatliche Einheit bezeichnet, wie z.B. in der Benennung «Deutsches Reich». Der Ausdruck «Deutschland» folgt sodann als eine Übersetzung des lateinischen Ausdruckes «Germania». Die «deutsche” Sprache teilte sich in zwei Hauptsprachzonen ein: Niederdeutsch (nördlich der Linie Brüssel - Köln - Berlin - Posen - Königsberg) und Hochdeutsch (südlich dieser Linie). Zeitlich unterscheidet man zwischen dem Altdeutschen (750-1050), dem Mitteldeutschen (1050-1350), dem Frühneudeutschen (1350-1650) und dem Neudeutschen (ab 1650), wobei sich das Niederländische (innerhalb der Linie Brüssel - Köln - Zwolle) in den letzten beiden Epochen vom Deutschen löste und eine eigene Entwicklung nahm. Durch den so genannten «Drang nach Osten», der sich schon im 10. Jh. gezeigt hatte und sich vom 12. bis zum 14. Jh. voll entfaltete, entstanden vier Siedlungsbahnen: 1) aus dem niederrheinischen Raum über die Weser und Elbe bis ins Baltikum hinein an die Mündungen von Oder und Weichsel; 2) aus dem Köln-Aachener Raum nach Sachsen, Brandenburg und Pommern; 3) aus dem Raum Mosel-Luxemburg-Eifel über Hessen und Thüringen nach Sachsen und Schlesien; 4) aus dem bayerischen Raum nach Ost-Österreich, Tirol, Böhmen und Mähren. Diese Siedlungsbahnen wirkten sich auch auf die Verbreitung der jeweiligen Sprachgruppe aus. Alle Sprachzweige übergreifend, suchten die Kanzleien der Fürstenhöfe nach Sprachformulierungen die allgemein verstanden werden konnten. Wegen des starken räumlichen Übergewichtes, begünstigt noch durch die starken Handelsbewegungen und die rasch zunehmende, Sprachgrenzen einebnende Buchproduktion, setzte sich das Hochdeutsche auch in den traditionell niederdeutschen Gebieten immer mehr durch. In dieses vielfältige Geflecht und seine immer raschere Entwicklung gilt es nun,  Luther einzuordnen. Zeitlich lebt er in der Epoche des Frühneudeutschen, räumlich befindet er sich im Grenzbereich zwischen Niederdeutsch und Hochdeutsch.  Grundsätzlich ist er also nicht streng auf eine Sprachrichtung festgelegt. Es liegt für ihn somit nahe, wie die Kanzleien  auf ihrem Gebiet, so er auf theologischem Gebiet nach einer Sprache zu suchen, die alle verstehen können: besonders bei der Übersetzung der Heiligen Schrift. Er sagt in einer Tischrede: «Nullam certam linguam germanice habeo, sed communem, ut me intelligere possint ex superiori et inferiori Germania. Ich rede nach der sechsischen cantzley, quam imitantur omnes duces et reges Germaniae; alle reichstette, fürsten, höfe schreiben nach der Sechsischen cantzleyen unser churfürsten. Ideo est communissima lingua Germaniae” (S. 202). Ferner geht es ihm um die Sprache des Volkes, nicht um die der Literaten. Im Sendbrief vom Dolmetschen (1530) schreibt er: «Den man mus nicht die buchstaben inn der lateinischen sprachen fragen, wie man sol Deutsch reden, wie diese esel thun, sondern man mus die mutter jhm hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen vnd den selbigen auff das maul sehen, wie sie reden, vnd darnach dolmetzschen, so verstehen sie es den vnd mercken, das man Deutsch mit jn redet” (S. 203). Um nun bei der Bibelübersetzung im einzelnen dem theologischen Gehalt der zu übersetzenden lateinischen Begriffe gerecht zu werden, greift er zu folgenden Methoden. Er bildet aus zwei Begriffen neue Composita: «gastfrei», «Menschenfischer», «Morgenland»; er übernimmt Composita aus dem lateinischen Originaltext und übersetzt sie nahezu wörtlich: «allmächtig” (omnipotens); er unterlegt weltlichen Begriffen einen neuen religiösen Sinn: «Glaube” (fides religiosa), «Gnade» (gratia divina); er bevorzugt im Allgemeinen die hochdeutsche Ausdrucksweise, entscheidet sich aber nicht selten auch für die niederdeutsche oder wechselt zunächst unsicher zwischen dem niederdeutschen und dem hochdeutschen Ausdruck, um sich erst im weiteren Verlauf auf den wohl vorteilhafteren festzulegen: «brengen», «Sonne», «gahn” (niederdeutsch), «bringen», «Sunne», «gehn” (hochdeutsch); ja es kommt sogar vor, dass er der Trefflichkeit wegen einen rein lokalen thüringischen Begriff vorzieht, der dann allerdings anderswo der Erklärung bedarf: «Scheffel». In der Syntax folgt Luther mehr der Hörkultur als der Schriftkultur und strebt mehr nach der Umgangssprache als nach der Schriftsprache und der Literatursprache. Da die Lutherbibel im 16. Jh. das meistgedruckte Buch wurde - gut 500.000 Exemplare -, war den genannten lexikalischen und syntaktischen Sprachschöpfungen Luthers ein großer Erfolg im ganzen deutschsprachigen Raum beschieden. Sie setzten sich allgemein durch.    

Sebastian Seyferth, dessen Beitrag den Originaltitel trug: Der Einfluss lateinischer Quellen auf die Textgestaltung von Martin Luthers Bibelbearbeitungen (1522-1545): zu einigen Spuren seiner Vorlagen in den Bibelübersetzungen, widmet sein Augenmerk dem Einfluss der lateinischen Sprache auf das Frühneuhochdeutsch Luthers. Dabei untersucht er folgende Schriften Luthers: die im Versteck auf der Wartburg erstellte Übersetzung des Neuen Testamentes, das so genannte Septembertestament und Dezembertestament (jeweils: Das Newe Testament Deutzsch),  beide 1522 erschienen; seine erste Vollbibel (Biblia, das ist, die gantze Heilige Schrifft Deudsch), veröffentlicht 1534; die Biblia Germanica als letzte Ausgabe der Vollbibel (Biblia, das ist, Die gantze Heilige Schrifft Deudsch auffs new zugericht), veröffentlicht 1545. Als Ergebnis stellt sich heraus, dass sich Luther mittels der gleichzeitigen kommentierten lateinischen Übersetzung des Erasmus von Rotterdam (Novum Testamentum, cui, in hac Editione, subjectae sunt singulis paginis Adnotationes Desiderii Erasmi Roterodami) in seiner frühneuhochdeutschen Wort- und Satzgestaltung sehr stark an der lateinischen Version und damit auch am griechischen Originaltext des Neuen Testamentes orientiert. Ohne die gleichzeitige Übersetzung des Erasmus von Rotterdam wäre somit Luthers Übersetzung sicher sehr viel anders ausgefallen.

Jos E. Vercruysse zeichnet die katholische Lutherforschung des 20. Jhs. nach. Am Anfang des Jahrhunderts stand jede Lutherforschung, sowohl auf protestantischer wie auf katholischer Seite, unter dem Zeichen der eigenen Identitätsfestigung. Damit war sehr viel gegenseitige Polemik verbunden. Ein Umdenken setzte dann mit Joseph Lortz (Die Reformation in Deutschland, 1939) ein. Er sah die Reformation als eine Folge der „theologischen Unklarheit” des Spätmittelalters und leitete damit in der katholischen Kirche ein Denken ein, dass in das Schuldbekenntnis des Papstes im Namen der ganzen katholischen Kirche zu Beginn der Fastenzeit des Jubiläumsjahres 2000 mündete. Meilensteine auf diesem Wege waren die Werke von Albert Brandenburg, Erwin Iserloh, Hans Küng, Otto-Hermann Pesch und vor allem Peter Manns, der Luther «unseren gemeinsamen Vater im Glauben” nannte. Dabei ging es zeitweilig nicht ohne heftige Auseinandersetzungen innerhalb der katholischen Lutherforschung ab. Diese Auseinandersetzungen wurden aber inzwischen beigelegt.

Andrea Poma bringt die ökumenischen Bemühungen des Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz in Erinnerung. Für Leibniz war grundlegend, dass die menschliche Vernunft die höchste Autorität ist und deshalb absolut respektiert werden muss. Die Vernunft ist nie Quelle von Konfusion und Sektierertum. Denn sie sucht die Wahrheit, klärt, überwindet Schwierigkeiten und führt zur Einigung. Die rechte Vernunft steht nicht im Widerspruch zur Autorität der Schrift und Tradition, letztere steht aber auch umgekehrt nicht in Widerspruch zu ihr. Andererseits kann niemand zu einem Glauben verpflichtet werden, der von seiner Vernunft verneint wird. Denn der Glaube ist kein gefühlsbetontes Meinen, sondern ein sachlicher Vernunftakt. Von diesen fundamentalen Erkenntnissen ausgehend, muss jedes ökumenische Bestreben von Toleranz und Dialog gekennzeichnet sein. In einem Brief an Madame de Brinon (September 1693) schreibt Leibniz, dass er schon seit langem sage, dass, wenn alle Protestanten katholisch würden, sie erkennen würden, dass die Katholiken protestantisch geworden wären.

Diese Hinweise müssen hier genügen. Der Fakultät für philologische und historische Wissenschaften der Universität Trient ist es gelungen, einen Kongress zu veranstalten, der tatsächlich viele Aspekte der Reformation und Martin Luthers erfasst und somit ein sehr umfassendes Gesamtbild entwirft. Dem Verlag ist zu danken für die geschmackvolle Ausstattung des Bandes.


 
 
 
 
 
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