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Revista Antonianum
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Foto Alkofer Andreas-Pazifikus , Recensione: MAXIMILIAN WAGNER, Da berühren sich Himmel und Erde. Symbol und Sakrament in den Sermones des Antonius von Padua , in Antonianum, 78/4 (2003) p. 725-727 .

Mit seiner umfangreichen, präzisen, erfreulich klar strukturierten und gut lesbaren Studie stößt Maximilian Wagner in eine Lücke. Zumindest im deutschen Sprachraum ist die streng wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Antonius von Padua und seinen Schriften nicht an prominenter Stelle angesiedelt. Hagiographische und populäre Schriften zu Antonius gibt es vielzählige und vielfältige. Aber schon eine komplette Ausgabe der „Sermones“ des Antonius liegt auf Deutsch nicht vor, was Annäherungen an die theologische Kontur des Antonius erschwert. Die verdienstvolle Auswahl von Sophronius Clasen stammt immerhin aus den 50er Jahren. Nun ist eine Sprachbarriere kein eigentlich wissenschaftliches Argument, aber de facto verzögert sie Rezeptionen und Reflexion dann durchaus. Es steht also zu hoffen, dass diese in Rom am Institut für Franziskanische Spiritualität des Antonianum erstellte Dissertation von Maximilian Wagner OFM hier neue Anstösse gibt. Zum einen gelingt es der Arbeit – dies vorweg – eine Fülle von Schätzen aus den „Sermones“ des Antonius zu heben, zum anderen wird auch ein Beitrag geliefert, der hilft, Antonius von Padua profilierter in das Gesamtgefüge des seinerzeitigen theologischen Gesamthorizontes und in die Dynamik der jungen franziskanisch-klareanischen Bewegung zu verorten. Der Lehrauftrag des Franziskus an Antonius kann in seinen weitreichenden Folgen ja kaum unterschätzt werden.

Die im Wintersemester 2001/2002 eingereichte, von Johann B. Freyer OFM betreute Arbeit geht in drei großen Schritten vor. Sie arbeitet den engen Bezug der antonianischen Texte zu ihren Quellen, Referenzen und deren theologiegeschichtlicher Situierung auf.

In einem ersten Hauptabschnitt (21-69) zeichnet W. kundig das 12. und 13. Jahrhundert als das „goldene Zeitalter“ der Symbolik nach. Quellen, die für Antonius bereitliegen, von ihm im Horizont des mittelalterliche Symbol- und Zeichenverständnisses memoriert und verarbeitet werden sind natürlich vor allem Augustinus, Pseudo-Dionysius Areopagita und schließlich die Pariser Viktoriner-Schule (vgl. 22-25). Unverzichtbar ist für das Unternehmen sodann der Rekurs auf die Traditionen und Perspektiven mittelalterlicher Exegese, des vierfachen Schriftsinns und der Bedeutung der Etymologie sowie, gerade für Antonius von Bedeutung, die hermeneutische Methode der „Konkordanz“, also der Zusammenschau und wechselseitigen Interpretation biblischer und liturgischer Texte aus Messe und Offizium (45ff.).

Der zentrale mittlere Teil der Untersuchung(72-364), die systematische Untersuchung der „Symbole in den Sermones“, fällt naturgemäss umfangreich, vor allem materialreich aus. Hier werden der Bild- und Symbolreichtum gehoben, den Antonius in seinen Predigtvorgaben speichert und aufbereitet. Hier liegt zugleich auch der grösste Ertrag der Studie. W. stellt zum Bild-, Allegorie- und Symbolmaterial durchgehenden die vielschichtigen Bezüge her, wertet vorsichtig, ob und inwiefern Antonius seine Quellen bearbeitet, variiert, neue Akzente einträgt oder auf der Sinnlinie der Vorgaben bleibt. Antonius rekurriert – so Tenor und Fazit – beständig auf die Tradition, setzt aber unverwechselbar Akzenten (vgl. 112).

W. untergliedert diesen Hauptteil wiederum in vier Abschnitte, die jeweils von einer pointierten Zusammenfassung abgeschlossen werden (was den Lektüreeinstieg und die Orientierung des Lesers in diesem umfangreichen Werk erleichtert). W. schreitet dabei von der Symbolik der menschlichen und aussermenschlichen Natur (72-282) fort zu den jeweils knapper gefasste Darstellungen der Licht- und Farbsymbolik (283-308) und zur Zahlensymbolik (309-346). Ein vierter Abschnitt sammelt und wertet spezifisch relevante Einzelsymbole aus (347-362).

Doch der Reihe nach: Der Einstieg unter dem Titel „Natur als Symbol: Die Schöpfung als Buch des Schöpfers“ (72-282) fächert einen prominenten Bereich aus, den Antonius in seinen Sermones immer wieder einbindet und metaphorisch und analog verwendet. W. setzt dabei ein mit dem Menschen als Mikrokosmos und „animal symbolicum“ (mit E. Cassirer und anderen), zieht die Spuren nach, die Körperregionen und -teile, die Antonius symbolisch dienen. Das reicht vom Kopf- und Brustbereich, über innere Organe bis hin zu Körperflüssigkeiten. Fast alles kann und wird – so der Eindruck – symbolisch gewendet, durchleuchtet und in Dienst genommen. Ähnliches gilt von Fauna und Flora (zweiter und dritter Unterabschnitt). Hier wird aber auch deutlicher Ambivalenz gespiegelt (vgl. 113ff., 130ff., 141ff.), das „Diabolische im Tierreich“  wie das „Heilssymbolische“. Schlangen, Drachen, Vögel, Fische (um nur einige zu nennen), aber auch die vier Tiersymbole der Evangelisten werden von Antonius bemüht, ebenso wie unterschiedlichste Bäume, Früchte, Sträucher, Kräuter oder Wein und Öl.

Die Spannweite ist dabei noch lange nicht abgeschritten; sie gewinnt kosmologische Dimensionen, wenn Antonius mit der Tradition Phänomene wie die vier Elemente, die vier Jahreszeiten, die vier Winde, wenn Sonne, Mond und Gestirne und verschiedene Wetterphänomene für seine Predigtvorstudien in Dienst nimmt.

Ein zweiter Unterabschnitt sichtet die Licht- und Farbensymbolik mit ihrer Symboltauglich- und -wertigkeit (vgl. die Zusammenfassung 305ff.), ein dritter wendet das Verfahren auf die Zahlensymbolik an, wobei sich Antonius besonders stark an Vorgaben und Traditionen hält (vgl. 344ff.).

Ein summarischer vierter Teil schliesslich versammelt Phänomen und Symbole unterschiedlicher Provenienz: Lebensschiff, Arche Noah, Himmelsleiter, Tür, Spiegel, Waage, schliesslich das Tauzeichen (361ff.), das Antonius achtmal in den Sermones verwendet. Die Brücke zu Franziskus wird ebenso deutlich wie die Herkunft aus der antonitischen Tradition. Aber auch Differenz wird sichtbar: Das Tau, betont als hammerartiges Zeichen gilt als Kreuz- und Passionssymbol bei Antonius. Die Perspektive des Erwählungszeichens ist nicht fremd, aber die Dimension von Rettung durch Umkehr und Busse ist signifikanter.

Modus der Darstellung, Reichtum der antonianischen Quellen und seiner Referenzen kommen im Hauptteil dieser Studie deutlich zum Aufschein. Die griffige und sorgfältige Darstellungsweise, aber auch die behutsamen Deutungen öffnen Zugänge zu den Texten und schliesslich zu Antonius selbst. Es ist kein geringes Verdienst, dass diese Dissertation hier auch den Charakter eines „Arbeitsbuches“ annimmt, durch klare Struktur, schlüssige Überschriften und konzise Summarien  Informationen gezielt anbietet.

Der dritte Hauptteil der Untersuchung stellt nun die Sakramente in den Sermones vor (365-398). Die einleitenden Reflexionen und Begriffs- bestimmungen sind sehr knapp gehalten und setzen die Überlegungen des Eingangsteils zu den fliessenden und offenen Übergängen von Symbol- und Sakramentsbegriff, von Natur und Symbol, von Symbol und Heilsgeschichte voraus (vgl. 17, 18, 21, 68ff., 397f.). W. sichtet nunmehr die Bedeutung von „sacramentum“ und „mysterium“ in den Sermones (365ff.), bezieht theologie- und terminologiegeschichtliche jüngere Perspektiven ein, die freilich in der Tradition präfiguriert sind: Christus als Ursymbol und Ursakrament, (367ff.), Kirche und Grund- und Wurzelsakrament (369ff.). Dann wendet sich W. den Einzelsakramenten in den Sermones zu. Vor allem Taufe und Busssakrament bilden dabei mit der Eucharistie einen deutlichen Schwerpunkt, was angesichts der thematischen Konzeption der Sermones als Buss- und Umkehrpredigt, nicht mehr nur einfacher Exhorte (vgl. 410), nicht Wunder nimmt – ein Befund also, der historisch und von der homiletisch-ethischen Absicht der Texte des Antonius her nicht überrascht, aber deutlicher zutage tritt. Für die übrigen Sakramente lassen sich Spurenelemente und Reflexionssplitter finden (vgl. 390ff.).

Ein zusammenfassender Rückblick (399-412), ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis (413-447) sowie ein hilfreiches Stichwortregister (449-453) runden die Arbeit ab.

Neben summarischen Reflexen auf den Konnex von Schöpfungs- und Erlösungssymbolismus, auf die Trias von Zeichen – Symbol – Sakrament, bleibt zu konstatieren: Auch wenn Antonius nirgendwo selbst eine genuine oder originell-eigenständige Definition von Zeichen, Symbol und Sakrament liefert (vgl. 401f.), sondern von der Tradition geprägt bleibt, gilt: „Antonius hat die Symbolsprache ausgezeichnet beherrscht, da in seinem Weltbild die Einheit zwischen Bild (signum) und Wirklichkeit (res) noch nicht zerbrochen war.“ – so W. resümierend (399). Aus dieser ungebrochenen Sichtweise, dass alles Geschaffene zum „Symbol/Sakrament“ für den unsichtbaren Schöpfer werden kann, die Sakramente privilegierte Heilssymbole sind (404), schöpft Antonius ebenso ungebrochen sein Material wie die Zuversicht, dass hier Verweis und Vermittlung gelingt. Dieser im neuzeitlich analytische Denken getrennte und zergliederte Zusammenhang markiert freilich auf der anderen Seite eine bleibende Aktualität: die Aktualität der Fragen nach einem „Wiedergewinn“ des Zusammenhangs, der auch systematisch-theologische Bedeutung hat (vgl. 309, 411f.).

Antonius lässt sich bezeichnen als Vertreter eines „Symbolismus der Präsenz“ (25), der von der aktuellen Gegenwart der bezeichneten unsichtbaren Wirklichkeit ausgeht und nicht erst  von dessen allmählicher Erlangung wie im „aufsteigenden Symbolismus“ eines Bonaventura.

Sachkundig, konzentriert und verständlich wird damit auch ein knappes Porträt des Antonius (405-411) vor dem Hintergrund der Sermones vorbereitet. Der Zusammenhang von Biographie und Theologie spiegelt sich auch hier, wenngleich Antworten über die Distanz vorsichtig und vermittelnd ausfallen müssen. W. sammelt seine Überlegungen unter drei Fragen, die in der Antoniusforschung immer wieder gestellt werden: Antonius – Augustiner oder/und Franziskaner? Antonius – Prediger oder/und Theologe? Antonius – traditioneller oder origineller Denker? Gerade in den Verknüpfungen, nicht aber in den Gegensätzen, die diese Fragen insinuieren, liegt nun aber die eigentliche Kontur des Antonius. Er vermittelt seine augustinisch gerichtete Vorbildung mit essentiellen Momenten franziskanischer Spiritualität (die präsent sind, auch wenn Antonius Franziskus nie namentlich erwähnt). Dies spiegelt sich auch in einer aus Bibel und Tradition gespeisten auf Lebens- und Umkehrpraxis gerichteten theologischen Vorlage, die dem Genus und dem „Sitz im Leben“ der Sermones entspricht und überwiegend praktisch-homiletische, moralische Auslegung in theologischer Wendung und Vertiefung ist (vgl. 223, 250). In den vielen Details, die W. aufbereitet, wird der kompetente Umgang des Antonius mit Schrift und Tradition sichtbar, aber gerade darin auch die Spur seiner Originalität.

Von den Differenzen bleibt eine zu erwähnen: der Bezug zum „Buch der Schöpfung“ ist bei Antonius – in den Sermones wohlgemerkt – eher der Bezug zu einem Symbolvorrat und weniger  direkt der geschwisterliche Bezug des Franziskus (vgl. 407).

Antonius also der „erster Moraltheologe“, die „Sermones“ die erste „summa de paenitaentia“ (385) der jungen franziskanischen Bewegung? Derartige Formulierungen und Anfragen sind natürlich steil. Doch auf diese (und weitere) Fährten setzt die vorliegende, verdienstvolle Studie.

 


 
 
 
 
 
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