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Rivista Antonianum
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Foto Volgger David , Recensione: THILO ALEXANDER RUDNIG, Heilig und Profan. Redaktionskritische Studien zu Ez 40-48 , in Antonianum, 77/2 (2002) p. 351-354 .

Die vorliegende Studie zu Ez 40-48 wurde als Dissertation an der Evangelisch Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Jahr 1998/99 angenommen. Der Autor erwähnt im Vorwort seine Lehrer: Prof. E.G. Bauckmann, Prof. O. Loretz, Prof. H.-P. Müller und Prof. R. Albertz. Zusätzlich haben noch Prof. Chr. Levin und Prof. E. Otto mitsamt Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Alttestamentliche Theologie an der Evangelisch Theologischen Fakultlät der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Entstehen des Werkes beigetragen. Der Autor weiß sich diesem wissenschaftlichen Kommunikationsnetz verpflichtet.

Im Zentrum des Interesses der Untersuchung zu Ez 40-48 steht die Redaktionsgeschichte dieses Textes. Zu Beginn legt d. A. das Programm seiner Studie fest: „Die vorliegende Untersuchung wird... auf einem redaktionskritischen Weg die Entstehungsgeschichte und den Aussagegehalt des Verfassungsentwurfes und seiner Texte aufhellen, die Zusammenhänge mit Ez 1-39 (wie etwa Rück- und Vorverweise) aufarbeiten und den literarischen Befund konsequent in die Auswertung für soziale und theologische Auseinandersetzungen der nachexilischen Gemeinde münden lassen.“ (S. 2f)

Diesem Programm verpflichtet stellt d. A. zunächst die komplexe Forschungsgeschichte zum Ez-Buch dar (v.a. zu Ez 40-48; Kapitel 2). Rudnig unterscheidet vier Forschungsmodelle: Das konservative Modell habe das Buch als literarische Einheit `in toto´ auf den Propheten zurückgeführt. Das kritische Modell betone den buchprägenden Anteil der Redaktion(en). Das pseudepigraphische Modell schreibe das Ez-Buch `in toto´ einem späteren Verfasser zu. Das holistische Modell plädiere schließlich für die Einheitlichkeit des Ez-Buches und nähere sich diesbezüglich dem konservativen bzw. pseudepigraphischen Modell. Rudnig weiß sich dem kritischen Modell verpflichtet und datiert wesentliche Anteile des Verfassungsentwurfs in die Zeit ab der zweiten Exilshälfte (Kapitel 3). Bei Ez 40-48 handle es sich um einen „Reformentwurf ... israelitischer-judäischer Existenz, um die zentralen Probleme, die mit der Katastrophe von 587 v. Chr. und der ab dem Ende des sechsten Jahrhunderts stattfindenden Konsolidierung und Neuorganisation der Gemeinde aufgekommen waren, zu bewältigen und die eigene Gegenwart so zu gestalten, daß ein zweites 587 vermieden wird.“ (S. 48)

Im 4. Kapitel untersucht d. A. den Zusammenhang von Ez 1-39 und 40-48 und zählt kontextuelle, terminologische und thematische Berührungspunkte zwischen beiden Texten auf. Im 5. Kapitel vertieft d. A. diesen Zusammenhang für Ez 37,25-28* und Ez 40-48 hinsichtlich der Themen `Tempel´, `Fürst´ und `Land´.

Die Grundschicht von Ez 40-48 stamme von einer golaorientierten Redaktion, die auf ein Jerusalem/Juda zentriertes Ez-Buch reagiere und dieses in ein babylonisches Gewand hülle. Der golaorientierte Grundbestand begegne in Ez 40,1.2b*.4*.17.28aα; 40;47b-41,4*; 41,15b-20a*; 43,6a.7a; 44,5aα; 45,17a.21a. 22-25; 46,4-7; 47,1-8*.9aβbβ.12a; 47,13aβ*.15b-20*; 48,35b. Gemäß der Grundschicht ist der Tempel ein dreiteiliges (syrisches) Langhaus, ähnlich dem salomonischen Tempel. `Fürst´ wird ein von König Jojachin abstammender Davidide, der als alleiniger Kultakteur tätig ist. Das ganz und gar verwüstete Land wird vom Heiligtum aus neu fruchtbar. Die Gola nimmt schließlich das durch Grenzfixpunkte abgesteckte Land (wieder) in Besitz.

D. A. sieht in den Redaktoren der golaorientierten Schicht die Nachkommen der einst staatstragenden Führungsschicht am und um den Königshof. Diese würden in Kontinuität mit der Gola Jojachins stehen. Sie hätten in der 1. Hälfte des 5. Jh.v. gewirkt.  Davon relativ unabhängige Restitutionsprogramme zu Tempel, Fürst und Kult seien jedoch bereits vor der Rehabilitierung Jojachins bis zum Bau des Tempels (520 v.) möglich.

Einen neuen Akzent in Ez 40-48 habe die diasporaorientierte Fortschreibung des Verfassungsentwurfs gesetzt (Ez 43,7b-9*; 44,6f*; 45,8b.9; 46,16-18 und 47,13aβ*γ.14.15a.21; 48,1-8aα.23b-29). Diese Redaktoren nivellieren den Sonderstatus der Jojachin-Gola und rücken die `weltweite´ Diaspora in das Zentrum. Die Redaktion sei in die zweite Hälfte des 5. Jh.v. zu datieren.

Danach sei Ez 40-48* in den Kreis priesterlicher Tradenten geraten. „Priesterliche Tradenten machen den überwiegenden Textbestand im Verfassungsentwurf aus“ (S. 318). Eine Sakralschicht (Ez 40,6-16*.18-27*.28aβ-37*.47a*; 41,5-15a*.26; 42,1-12.13*.20*) baut den einfachen Tempelkernbau der golaorientierten Redaktion zu einer gewaltigen Tempelanlage mit Wehrcharakter aus. Ein differenziertes System von Heiligkeitsabstufungen begleitet diesen Textausbau. Tempelbauteile (und kultische Vorgänge) werden auch außerhalb der Sakralschicht beschrieben (der Altar: Ez 43,13-17; die Weihe des Altars: Ez 43,18-27; die Opferküchen: Ez 46,19-24). Diese Texte (Ez 43,12-17.18-24*; 46,19-24) werden mit Ez 45,15b.16.17b.18-20a zum sühnetheologischen Beziehungsgeflecht zusammen-gefaßt. Sie bilden eine Ringkomposition um die große Gesetzessammlung in Ez 44,6-46,18* und richten das in der Gesetzessammlung anvisierte Kultgeschehen auf seinen Sühnezweck aus.

Die priesterliche Bearbeitung von Ez 40-48 suspendiert den Fürsten von seiner Opfertätigkeit und beschränkt die priesterlichen Rechte auf die Zadokiden – gegenüber dem Rest der Leviten. Auch die Textabschnitte zur Landgabe (Ez 45,1-8a; 48,8aβ-23a) unterstreichen die Rechte der Priester gegenüber den Fürsten und Leviten.

Die priesterliche Bearbeitung habe gut 100 Jahre ab dem Beginn des 4. Jh.v. gedauert. Am Beginn stand die Einfügung der Sakralschicht, am Ende die Integration des zweiten Textes zur Landabgabe in Ez 45,1-8a.

Letzte Eingriffe sind an den redaktionellen Überleitungstexten Ez 43,10-12; 44,1-3*.4f* und an den visionären Texten (vgl. die `Mann-Bearbeitung´) geschehen. Die einfache golaorientierte Gegenwartsverheißung YHWHs am Tempel wird dadurch zu einem Bericht vom Einzug der Thronherrlichkeit YHWHs bzw. des Gottes Israels in sein Heiligtum. Dieser Bericht bildet mit Ez 8-11, dem Auszug der Herrlichkeit YHWHs, ein buchübergreifendes Beziehungsgeflecht (S. 338). Gemäß der `Mann-Bearbeitung´ führt nicht mehr YHWH seinen Propheten Ezechiel durch den Tempel, sondern die apokalyptische Gestalt eines `Mannes´, der durch seine Meßtätigkeit besonders gekennzeichnet ist. Die `Mann-Bearbeitung´ sei als letzte Bearbeitung von Ez 40-48* ins (frühe) 3. Jh.v. zu datieren.

Zahlreiche Querverweise zur altorientalischen Kultgeschichte und zu anderen AT-Texten - v.a. der Priesterschrift in Ex-Num – verleihen der redaktionskritischen Studie zusätzliches Profil. D. A. beurteilt die Priesterprogramme in Ez als bewußten Gegenentwurf zu entsprechenden Konzeptionen in P: „Das Heiligtum der Sakralschicht kann als Konkurrenzentwurf zum Zeltheiligtum der Priesterschrift verstanden werden, das sühnetheologische Beziehungsgeflecht kennt divergierende Entsühnungs-rituale (vgl. etwa Ex 29,36f; Lev 8.10f.14f; 16,1ff.18f), und schließlich zeigte sich die Zakokidenfavorisierung von 44,6-16* als Gegenstück zur Aaroniden-These von P.“ (S. 364).

Rudnig legt in seiner Untersuchung zu Ez 40-48 ein logisch durchdachtes Textmodell vor und formuliert äußerst sorgfältig seine These. Die Zusammenfassung (S. 343-368) bringt den Leser zwar auf das Untersuchungs-niveau der vorangehenden Kapitel, bietet aber leider keine prägnante Gesamtsynthese. In einem Anhang schreibt d.A. das der golaorientierten Redaktion vorliegende Material, die Eigenformulierungen der golaorientierten Redaktion und die diasporaorientierten Textanteile aus. Die weiteren Redaktionen werden nur mehr in Versangaben zusammengefaßt (S. 373f). Nicht uninteressant wäre es, dem Leser den jeweiligen Gesamttext zu den unterschiedlichen Zeitpunkten zu präsentieren. Das Modell der Textgenese würde dadurch an Klarheit gewinnen.

Davon zu unterscheiden ist das historisch-kritische Geschichtsmodell, das der Untersuchung zu Grunde gelegt wurde. Die Arbeit sucht vor allem ein Textmodell zu erstellen, das die Widersprüche im Endtext sinnvoll zu deuten vermag. Dieses Textmodell, das einzelne Textabschnitte hinsichtlich ihrer relativen Chronologie bestimmt, wird sodann mit Daten und Fakten der absoluten Chronologie verbunden. Daß diese Verbindung wohl auch nach der Untersuchung Rudnigs anders beurteilt werden kann, ist darauf zurückzuführen, daß die textexternen historischen Fakten, die sich mit einem logisch durchdachten Modell zur Textgenese von Ez 40-48 verbinden ließen, äußerst spärlich sind.

Eine Beobachtung zum Textmodell d. A. soll abschließend noch besonders hervorgehoben werden. Die zentralen Themen `Tempel´, `Fürst´ und `Land´ bilden bereits zu Beginn der Textgeschichte von Ez 40-48 eine Einheit und sind in allen weiteren Stadien der Textgenese präsent. Dies bedeutet unter anderem, daß der Text Ez 40-48* von allem Anfang an ein theologischer Text ist. Wirtschaftliche oder staatspolitische Interessen stehen nicht im Vordergrund der Textgestalt. Nicht einmal der Gegensatz einzelner Priesterschaften untereinander ist als vorrangiges Motiv der Textgestaltung auszumachen. Klar und unmißverständlich ist jedoch der Gegensatz und die Grenze zwischen dem Gott Israels mit seiner Botschaft und dem Menschen in und außerhalb Israels. Die Vorstellung, daß das Wort Gottes im Streit politisch-religiöser Interessen Partei ergreife, ist kaum ein Leitmotiv des Ez-Buches in seiner Endgestalt. Dies gilt wohl auch für die Anfangsgestalt von Ez 40-48, wie sie Rudnig rekonstruiert hat. Im Exil öffnet der Gott Israels dem Propheten Ezechiel zunächst und vor allem die Augen für die umfassende Gestalt Israels und seinen Kult am künftigen Tempel.

 


 
 
 
 
 
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