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Foto Gruber Margareta , Recensione: Klaus Scholtissek, In ihm sein und bleiben. Die Sprache der Immanenz in den johanneischen Schriften , in Antonianum, 76/3 (2001) p. 576-579 .

Eine Arbeit zum wechselseitigen „In-Sein“, der reziproken Immanenz im Joh, dürfte nicht nur Johannes-Spezialisten interessieren, sondern alle, die nach der Vermittlung von „Wissenschaft und Weisheit“ suchen und daraufhin das Neue Testament befragen. Die im Jahre 2000 in „Herders Biblische Studien“ (HBS 21) erschienene und im Schülerkreis von Hans-Josef Klauck entstandene Habilitationsarbeit von Klaus Scholtissek hat es sich zur Aufgabe gemacht, umfassend die Sprache der Immanenz in den johanneischen Schriften zu untersuchen, die „als leitende Sprach- und Denkfigur ... in die Mitte der joh Theologie“ führt (63). Der einleitende Überblick über die neuere exegetische Forschung zum Thema (Teil B) zeigt, das das Thema immer wieder behandelt wurde, hinsichtlich seiner „religionsgeschichtlichen Verortung und ... traditionsgeschichtlichen Genese“ jedoch nach wie vor umstritten ist (22). In einem umfassenden und umfangreichen religions- und philosophiegeschichtlichen Vergleich (Teil C, 23 -130) untersucht Sch. deshalb die Immanenz-Vorstellungen in der antiken Religions- und Philosophiegeschichte (C II) , in der Gnosis (C III) und in der biblischen Tradition vom Alten Testament über die Septuaginta und die frühjüdischen Schriften bis hin zur rabbinischen und jüdischen Mystik (C III). Wer sich auf die detailreiche – und deshalb stellenweise auch mühsam zu lesende – Untersuchung einlässt,  wird in ein schillerndes „Panoptikum“ (123) geführt: In den Immanenz-Aussagen der griechischen und lateinischen Philosophie sowie der Gnosis zeigt sich die menschliche Urfrage nach der Vermittlung von Transzendenz und Immanenz; in Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Konzeptionen entwickelt das Frühjudentum (Weisheitsliteratur, LXX, Test XII, Philo) eine Sprache und Theologie der göttlichen Immanenz, die „konstitutiv zu den Denk- und Sprachvoraussetzungen urchristlicher Immanenz-Aussagen bei Paulus und Johannes“ gehören (126). In der Bestimmung von über die Sprache hinausgehenden inhaltlichen Parallelen ist Sch. mit Recht zurückhaltend (369f). Er weist auf die Antwort des Johannesprologs hin, in dem der Logos als vermittelnde Größe mit der geschichtlichen Person Jesu von Nazareth identifiziert wird (128).

Der Ansatz von Sch.s  eigentlicher exegetischer Arbeit ist jedoch nicht religionsgeschichtlich, sondern schwerpunktmäßig synchron und hermeneutisch. Entsprechend spielen die Ergebnisse des religionsgeschichtlichen Teils in seiner Exegese des Joh kaum eine Rolle mehr. Der Vf. legt seinen Ansatz in Teil D (131-139) dar und entfaltet ihn im exegetischen Hauptteil E (141-362) an den sechs großen Texten der joh Immanenz-Theologie: am Prolog als dem „Metatext der johanneischen Immanenztheologie“ (141, E II), an der Brotrede Joh 6 mit der eucharistischen Immanenz (E III), am Kerntext der  Immanenztheologie in Joh 14 (E IV), an dessen Vertiefung in Joh 15,1-17 (E V), am Thema der Einheit und Immanenz in Joh 10 und Joh 17 (E VI) und schließlich an den drei Johannesbriefen (E VIII). Der Vf. hört in seinen sechs Analysen gewissermaßen mit dem Stetoskop auf die Sprache der Immanenz im semanti-schen Körper seiner Texte und bindet die Ergebnisse in sorgfältigen Interpretationen zusammen.

Sch. greift das durch J. Zumstein und seinen Schüler A. Dettwiler am Beispiel der joh Abschiedsrede in die Johannesexegese eingeführte Paradigma der „Relecture“ auf (131-137). „Die theologische Denkbewegung, die Wachstumsgeschichte der joh Abschiedsrede wird nicht mehr als Geschichte miteinander konkurrierender, sich überlagernder bzw. sich gegenseitig ablösender theologischer Positionen gedeutet, sondern als organischer Fortschreibungsprozeß, der das vorfindliche Frühere nicht zurückweist, sondern es positiv aufgreift und ... entfaltet, vertieft oder neuakzentuiert“ (132). Hier zeichnet sich eine Überwindung mancher literarkritischen Aporien der Johannesexegese ab ohne dass eine spannungsreiche diachrone Entstehungsgeschichte des Textes grundsätzlich geleugnet würde. Dieser Fortschreibungspozess, der nach Sch. nicht nur in den Abschiedsreden (Joh 15 - 17 als Ergebnis eines „längeren meditierenden und reflektierenden“ Wachstumspozesses – relecture - des Evangeliums, 282f), sondern im gesamten Evangelium zu beobachten ist, ist „zu verstehen als schriftgelehrte und geistgeführte, die Herausforderungen der Gemeinden zu meistern suchende und den theologischen Klärungsbedarf integrierende Reflexion auf die joh Jesusüberlieferung, die in kreativer Treue zum Ursprung fortgeschrieben wird“ (136); Sch. bestimmt ihn mit Dettwiler als eine vom Pneuma getragene „Selbstauslegung und Selbstaktualisierung des erhöhten Christus“ (134). So wird etwa die Bildrede vom Weinstock Joh 15,1-8 als relecture der Hirtenrede Joh 10,1-18 gelesen (278.282) und die Immanenz-aussagen des 1 Joh als relecture der evangeliaren Immanenz-Aussagen bestimmt (357ff). Relecture versteht sich somit als Paradigma, das die diachrone Textentstehung des joh Schrifttums als Prozess sukzessiver Fortschreibung in Treue zum jew. Bezugstext versteht. Sch. unterscheidet nun darüber hinaus auf synchroner Ebene das Paradigma der réécriture. Hier geht es nicht um diachrone Fortschreibung eines Bezugstextes, sondern um die synchron zu analysierende literarische Arbeitsweise ein und desselben Autors (des Evangelisten), von Sch. definiert als „variierende Wiederaufnahme und vielschichtige Um-Schreibung ein und derselben Grundkonstellation durch den gleichen Autor“ (137). So kennzeichnet er im Verlauf seiner Exegesen etwa Joh 1,6-8 und 9-18 als „christologische réécriture von 1,1-5 (177ff), Joh 13,31-14,31 als réécriture von Joh 8,12-59 (241-244), Joh 15,9-17 als réécriture der Bildrede Joh 15,1-8 (298) und die Kreuzesszene Joh 19,25-27 als Konzentration und réécriture der Abschiedsrede in Joh 13-17 (238). Die vom JohEv um- und wiedergeschriebene Grundkonstellation ist nach Sch. „das ´Kommen´ bzw. die (unerkannte) Anwesenheit des endgültigen Heilbringers und seiner herausfordernden Begegnung mit verschiedenen Menschen“ (139) entsprechend der von Sch. so genannten „Messias-Regel des Täufers“ (138): „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt“ (1,26). Sch. sieht mit F. Mußner die „semantische Achse“ des Joh in Joh 1,11-13 (179-184; 371): Ablehnung und Aufnahme (paralamba,nw – ouv paralamba,nw) des kommenden Logos; daran knüpft sich eine das ganze Joh durchziehende Haus- und Familienmetaphorik, deren sprachlicher Gestalt Sch. in minutiösen sprachlichen Untersuchungen nachgeht (162-165; 222-253). Die Aufnahme Jesu führt in die Zugehörigkeit zu der von Jesus neu gesammelten Familie Gottes (371). Diese „ekklesiologische Leitmetapher“ (371) hat eine unmittelbare Verbindung zur joh Immanenztheologie: Der Aufnahme Jesu entspricht das immer neu zu erringende „Bleiben“ der Gläubigen in der so gewonnenen Christusbeziehung (vgl. die sorgfältige sprachliche Untersuchung von me,nein evn und ei=nai evn,151-161; 217-222). So ist der Höhepunkt der joh Immanenztheologie in Joh 14,1-31 semantisch präzise vorbereitet: die Zusage der „vita communis mit Gott als futurisch-eschatologisches Heilsziel (14,2-3) und als dieses Heilsziel vorgreifende, präsentisch-eschatologische Wirklichkeit (14,23)“ (371). Dabei ist „die führende Stimme der joh Familienmetaphorik ... die Vater-Sohn-Relation, von der her der Evangelist durchgehend denkt und argumentiert, die schließlich auch dazu führt, die verwendeten Bildfelder aufzubrechen und zu übersteigen“ (371). Dies zeigt Sch. anhand der joh Einheits-Aussagen in Joh 17, die er von der reziproken Immanenz her nicht als Einheit der Christen mit und in Gott, sondern als „Aufnahme in die reziprok-immanente Liebesgemeinschaft von Vater und Sohn“ interpretiert (338). Sch. fasst zusammen: „Die joh Immanenz-Aussagen im Corpus Johanneum charakterisieren eine uranfängliche (die Vater-Sohn-Beziehung) oder eine nachösterlich gnadenhaft eröffnete (die Vater/Sohn-Christen-Beziehung) personale Identität und Stabilität, die aus einer reziprok-immanenten Relationalität erwächst und die dieser bleibend zugeordnet ist und diese bezeugt. Die joh Immanenzaussagen reflektieren eine in Gott selbst begründete und diese mitteilende Personalität, die ihre Identität durch eine Communio gewinnt, deren dichtester Ausdruck die wechselseitige Inhabitatio ist“ (372, als Scholtisseksche réécriture von 339!). In einer abschließenden Auswertung seiner Untersuchung (Teil F, 363-380) interpretiert Sch. die joh Sprach- und Denkfigur der Immanenz als Reflexion und Versprachlichung urchristlicher Glaubenserfahrungen mit mystagogischem Charakter von bleibender Aktualität (377-380).

In Sch.s Studie liegt ein wichtiger Beitrag innerhalb der Johannesexegese vor, in dem neuere methodische und hermeneutische Ansätze mit bester exegetischer Schule verbunden werden. Die Leser müssen dabei allerdings an manchen Stellen eine Datenfülle präsent halten und verarbeiten, die einen normalen humanen Arbeitsspeicher an die Grenze führt; dies vor allem dann, wenn man Sch.s hermeneutische Paradigmen der relecture und réécriture mit seinen diffizilen sprachlichen Analysen und bibeltheologischen Interpretationen zusammenhalten will, um sie daran zu verifzieren (Kopfzeilen hätten das notwendige Blättern etwas erleichtert). Das Durchbuchstabieren joh réécriture am Text hätte ich mir unter dieser Rücksicht an manchen Stellen klarer gewünscht, denn die synchronen Umschreibungsprozesse sind eine spannende Entdeckung der Vf.s im Joh. Ob die Grundkonstellation der joh réécriture-Prozesse auf die Messias-Regel reduziert werden kann, ist für mich nicht in allen Textbeispielen überzeugend genug geworden. Der Vf. weist selber darauf hin, dass der Evangelist durchgehend von der Vater-Sohn-Relation her denkt und argumentiert (371), in die die Gläubigen hineingenommen werden, wie es am Beispiel der Immanenz gezeigt wird. Könnte man nicht auch von einer réécriture dieser Vater-Sohn Beziehung im Joh sprechen, die sich dann – wie im Fall der Immanenz - als relecture in den Briefen fortsetzt? Dann gäbe es eine Reihe von sich verschränkenden und gegenseitig interpretierenden Kon-stellationen, die im Joh umgeschrieben und vertieft werden, und von denen die von Sch. herausgearbeitete Messias-Regel nur eine ist. Das Feld für weitere Entdeckungen am Text ist damit jedenfalls eröffnet, was immer ein Kennzeichen einer wirklich guten wissenschaftlichen Arbeit ist. Danke dem Autor!

 


 
 
 
 
 
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