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Foto Schoch Nikolaus , Recensione: Mauro Rivella, autoritā dei dottori e magistero gerarchico nella canonistica postriden-tina (1563-1730), in Antonianum, 70/2 (1995) p. 309-312 .

Die Untersuchung beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen der theologi­schen Wissenschaft und dem Lehramt bzw. den Theologen und den Hirten in der post-tridentinischen Zeit.

Rivella behandelt zuerst kurz die konziliaristischen Lehren ab dem Konzil von Konstanz mit ihren Vertretern Zabarella und Panormitanus sowie die Antwort der päpstlich gesinnten Theologen Torquemada, Kajetan, Melchior Cano und Franci­sco de Vitoria. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts finden sich zwar noch Re­ste konziliaristischer Strömungen, doch wiegen die romfreundlichen Gelehrten be­reits eindeutig vor. Der gewandelte historische Kontext mit der gestärkten Rolle des Papstes und dem Auftauchen des Protestantismus zeigte die Schwächen der Leh­re von der Konzilssuperiorität in der Praxis auf. Das Konzil von Trient selbst er­neuerte und bestätigte die Stärke des Papsttums, welches sich als fähig erweisen sollte, eine echte Erneuerung der Kirche zu vollbringen.

Im folgenden Abschnitt wird die Lehre von Stapleton, Bellarmin, Valencia und Suärez vorgestellt. Aufgrund der Herausforderung durch den Protestantismus erweist sich diese Periode als die kreativste in den vom Autor behandelten Zeitab­schnitten. In ihren Traktaten unterstreichen diese Gelehrten die Sichtbarkeit der streitenden Kirche und betonen angesichts der Herausforderung durch den Prote­stantismus die Existenz einer lebendigen und unfehlbaren Lehrautorität, die auf­grund des Willens des Herrn dem Nachfolger Petri anvertraut wurde. Ohne den übernatürlichen Charakter der Kirche zu leugnen, werden die sichtbaren Elemen­te herausgestrichen, d.h. nach Bellarmin und Suärez das einheitliche Glaubensbe­kenntnis, die Gemeinschaft der Sakramente und die Leitung durch die rechtmäßigen Hirten.

Valencia und Suärez nennen auch die « romanitä » (die Zentralität Roms) als Synthese aller Eigenschaften der wahren Kirche. Suärez ist der Ansicht, daß der Papst als Privatmann fehlbar, in Lehrfragen jedoch unfehlbar ist, daß aber auch die Bischöfe und die Gelehrten nicht alle gleichzeitig irren können. Die Kirche braucht eine eindeutige Lehrautorität, was von Stapleton mit der Zerbrechlichkeit des Menschen und von Bellarmin mit der Tatsache begründet wird, daß Gott die Men­schen in bezug auf jene Mittel nicht im Dunkel lassen konnte, die notwendig sind, um das ewige Heil zu erlangen. Auf die kirchliche Autorität werden von Stapleton nach dem Prinzip der Analogie, die auch für die weltliche Autorität gültigen Grund­sätze angewandt, wobei er jedoch berücksichtigt, daß die kirchliche Leitungsgewalt aufgrund ihres übernatürlichen Ursprungs objektiv unfehlbar ist und den Gläubi­gen im Gewissen bindet. Es ist die Lehrgewalt, die mit der rechtmäßigen Übertra­gung des Dienstes verbunden ist, und nicht die doktrinale Kompetenz, welche dem Hirten den Beistand des Heiligen Geistes verleiht und die Korrektheit seines Le­hramtes garantiert.

Auch Suärez ordnet die Gelehrten den Hirten unter, denn die Gelehrten dür­fen nur im Auftrag der Hirten lehren und haben die Aufgabe, die von den Hirten definierten Wahrheiten zu erklären. Den Hirten kommt der Dienst der Unterschei­dung zu, wobei sie sich des Rates der Gelehrten bedienen müssen.

Bellarmin sieht die Schrift in sich betrachtet als dem ökumenischen Konzil übergeordnet an, hält jedoch die Meinung einer einzelnen Person, auch wenn sie durch die Schrift begründet ist, für der Entscheidung eines Konzils untergeordnet. Die Stellung der Hirten unterscheidet sich nicht von jener der weltlichen Fürsten, deren Autorität auch nicht von einem einzelnen Menschen in Zweifel gezogen wer­den kann, nur weil er klüger und fähiger ist.

Während es sich bei den vorher präsentierten Gelehrten um Theologen han­delt, so werden für die weiteren dargestellten Perioden nur Kanonisten vorgestellt. Laymann, Barbosa und Fagnani berücksichtigen die Lehr-Autorität nur als einen Traktat in bezug auf die Gewalt des Papstes. Die Beziehung zwischen dem Papst  und dem ökumenischen Konzil wird der Vollständigkeit halber und nicht etwa we­gen ihrer Aktualität behandelt. Die ordentliche Lehrgewalt der Bischöfe wird als von der durch Christus den Aposteln übertragenen Vollmacht abgeleitet betra­chtet, doch wird ihr Bezug zur jener des Papstes nicht näher erläutert.

Entsprechend der mittelalterlichen Diskussion wird aufgrund der menschli­chen Fehlbarkeit noch die Möglichkeit eines häretischen Papstes erwähnt, wäh­rend auf der anderen Seite die Betonung des päpstlichen Primates über die Ge­samtkirche bereits den Kern der Entscheidung des I. Vatikanischen Konzils zu­gunsten der Unfehlbarkeit des Papstes enthält. Als Gegenpol zu diesen Strömun­gen behandelt Rivella auch die Gallikaner Richer (1559-1631) und Van Espen (1646-1728), spricht ihnen jedoch den kreativen Beitrag zur Klärung des Verhält­nisses Gelehrte - Hirten und die Überwindung der Einseitigkeiten der romfreund­lichen Theologen ab.

Die päpstlich gesinnten Kanonisten Wiestner Reiffenstuel und Schmalz-graeber, die an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wirkten, unterstreichen die Rolle des Papstes als Grundlage für das Gedeihen der gesamten Kirche, wo­bei der Episkopat übergangen und die Garantie für die Unfehlbarkeit des kirchli­chen Lehramtes als exklusiv dem Nachfolger Petri zukommend betrachtet wird. Die Jurisdiktion wird dabei in ihrer Bedeutung für das Lehramt mehr betont als das Weihesakrament und als letzterem übergeordnet betrachtet. Den Gelehrten wird eine geringe Bedeutung zugemessen, sodaß die Dialektik zwischen der theo­logischen Wissenschaft und dem Lehramt fast völlig untergeht. Die Kanonisten dieser Zeit bereiteten so der Unfehlbarkeitserklärung des Ersten Vatikanischen Konzils den Boden.

Das letzte Kapitel der an der Gregoriana-Universität in Rom als Disserta­tion verteidigten Arbeit versucht dann, die Ansichten der behandelten Autoren zu synthetisieren, d.h. vor allem die Gemeinsamkeiten aufzuweisen und sie aus der heutigen Sicht zu bewerten. Dabei wird als positiv die Überwindung des Kon-ziliarismus betrachtet, während die exzessive Konzentration der Lehrautorität in der Kirche auf den Papst, die unzureichende Klärung des Verhältnisses zwischen dem Papst und den Bischöfen sowie die geringe Bedeutung, die den Gelehrten selbst zugemessen wurde, als negativ angesehen wird. Zu Recht stellt Rivella fest, daß die Kanonisten der Vergangenheit die Bibelstellen Matth 16,18-19 oder Joh 21,17 überbewerteten und den Vätertexten sowie der Kirchengeschichte eine zu geringe Bedeutung zumaßen. Weiters wird als negativ bewertet, daß die meisten Kanonisten der Ansicht sind, daß die Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe vom Papst und nicht von Gott abgeleitet sei. Rivella mißt jedoch dabei die Werke der von ihm behandelten Kanonisten zu sehr am Maßstab der Ekklesiologie des IL Vati-kanums und des darauf aufbauenden Kodex von 1983, welche als Ideal für alle Zeiten dargestellt werden.

Die Arbeit ist sehr flüssig geschrieben, nicht zuletzt deshalb, weil alle Zitate im Text auf italienisch gehalten sind. Dies stellt vom wissenschaftlichen Standpunkt kein Problem dar, da sich die Originalfassung immer in den Fußnoten befindet. Das Literaturverzeichnis ist wahrscheinlich aus Platzersparnis gekürzt und enthält nur die wichtigen Quellen- und Literaturtexte.

Da bei einer zu gegenwarts-orientierten Kanonistik die Gefahr besteht, wer­tvolles Gedankengut in Bibliotheken und Archiven verschwinden zu lassen, ist al­lein die Tatsache, daß der Autor einen Zugang zu den Werken der Kanonisten des 16. bis 18. Jahrhunderts, einer häufig vernachlässigten Periode, ermöglichen will, äußerst lobenswert. Angesichts der pluralistischen Gesellschaft, in der die Kirche in den meisten Staaten heute lebt und angesichts der verschiedenen z.T. entgegenge­setzten theologischen Strömungen auch innerhalb der katholischen Kirche, ist eine Neubesinnung in bezug auf das Verhältnis zwischen Theologie und Lehramt zwei­fellos wünschenswert. Das vorliegende Buch stellt einen gelungenen Versuch in be­zug auf die historische Sicht dar, und es ist ihm deshalb eine weite Verbreitung zu wünschen.


 
 
 
 
 
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