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Recensione: H.J. Klauck, Religion und Gesellschaft in frühen Christentum

 
 
 
Foto Matjaz Maksimilijan , Recensione: H.J. Klauck, Religion und Gesellschaft in frühen Christentum , in Antonianum, 79/3 (2004) p. 577-580 .

In einer der renommiertesten wissenschaftlichen Reihen zum Neuen Tes-tament hat der deutsche Neutestamentler Hans-Josef Klauck OFM eine Sammlung von 17 profunden religions-, sozial- und literaturgeschichtlichen Studien vorgelegt, die in den Jahren 1995 bis 2002 entstanden und teilweise bereits an verschiedenen Orten als Aufsätze veröffentlicht sind. Diese Studien, die nach sieben verschiedenen Themenkomplexen geordnet sind, versuchen die jeweiligen Fragestellungen in neue Richtungen voranzutreiben und zeigen, dass auch die wissenschaftliche Exegese theologische und kirchliche Verantwortung keineswegs ausschließt.

In dem gänzlich neu erarbeiteten Beitrag „‘Pantheisten, Polytheisten, Monotheisten’ - eine Reflexion zur griechisch-römischen und biblischen Theologie“ entfaltet Klauck den heuristischen Wert religionsgeschichtlicher Forschung anhand der Grundsatzfrage des Monotheismus. Die Entstehung des christlichen trinitarischen Bekenntnisses kennzeichnet er als einen Prozess der Abgrenzung von paganem Polytheismus einerseits und der Verteidigung gegen Zweifel an seinem mono­theis­tischen Charakter von jüdischer Seite andererseits.

Auf den einleitenden Beitrag folgt in dem voluminösen Band (X, 456 S.) der erste thematischen Block („Sünde und Vergebung“), der zwei Aufsätze enthält: „Die kleinasiatischen Beichtinschriften und das Neue Testament“ sowie „Heil ohne Heilung? Zur Metaphorik und Hermeneutik der Rede von Sünde und Vergebung im Neuen Testament“, in denen Klauck u. a. auf seine Studien zu den Johannesbriefen zurückgreifen kann. Der zweite thematische Block („Ekstatische Rede“) enthält zwei Beiträge zur Glossolalie: „Von Kassandra bis zur Gnosis. Im Umfeld der frühchristlichen Glossolalie“ sowie „Mit Engelszungen? Vom Charisma der verständlichen Rede in 1 Kor 14“, die einen trefflichen Überblick über glossolale Phänomene in der Umwelt des Neuen Testaments und speziell in der Gemeinde von Korinth bieten. Diese Art von Kommunikation der Gläubigen mit Gott erfolgt in Reaktion auf das vorangegangene Geschenk des göttlichen Geistes und soll durch die Liebe vor dem gefährlichen religiösen Virtuosentum bewahrt werden. Der nächste Abschnitt („Mysterienkulte und Herrenmahl“) enthält einen Aufsatz über das Mahlfeiern in Korinth („Leib Christi - Das Mahl des Herrn in 1 Kor 10-12“) sowie einen religionsgeschichtlichen Beitrag („Die antiken Mysterienkulte und das Urchristentum - Anknüpfung und Widerspruch“), in dem sich Klauck mit verschiedenen Dimensionen antiker Mysterienkulte und kultischer Praktiken der Gemeinde von Korinth auseinandersetzt. Neben kritischer Abgrenzung ist es dabei immer auch zu konstruktiver Aufnahme von sprachlichen Ausdrucksformen und religiösen Deutungsmustern der Umwelt gekommen. Auch wenn sich Klauck dezidiert von monokausalen genetischen Ableitungen des Christentums aus paganen Kulten distanziert, setzt er doch Rezeptionsprozesse voraus.

Der folgende Abschnitt behandelt unter dem Thema „Volk Gottes und Gemeinde“ drei Beiträge über: „Gottesfürchtige im Magnificat?“, „Gemeinde und Gesellschaft im frühen Christentum - ein Leitbild für die Zukunft?“ sowie „Junia Theodora und die Gemeinde von Korinth“. Hier zeichnet Klauck die christliche Identitätsbildung in ihrem antiken Umfeld nach. Die Gemeinden versuchten sich durch ihre Selbstbezeichnung als Ekklesía vom ‘Kultverein’ der verschiedenen Mysteriengottheiten der Umgebung abzuheben und durch die Betonung der Kontinuität gegenüber dem Volke Israel ihre eigene Dynamik zu demonstrieren.

In dem Kapitel „Herrscherkritik und Kaiserkult“ finden sich eine Studie über das Phänomen des Kaiserkults in der religiösen Umwelt des Urchristentums („Des Kaisers schöne Stimme. Herrscherkritik in Apg 12,20-23“), ferner eine Untersuchung zur Nerolegende („Do They Never Come Back? Nero Redivivus and the Apocalypse of John“), in der Klaucks Identifikation Domitians als Nero redivivus nicht ganz überzeugend erscheint, sowie ein Beitrag über zahlreiche Motivverwandtschaften der neutestamentlichen Kindheitserzählungen mit nichtchristlichen Ankündigungen der Geburt großer Persönlichkeiten („Das göttliche Kind. Variationen eines Themas“).

In der religionsgeschichtlichen Studie „Compilation of Letters in Cicero’s Correspondence“ versucht Klauck im vorletzten Abschnitt („Geteilte Briefe? [aus anderer Sicht]“) durch die Zusammenstellung von Briefen Ciceros die Legitimität von Teilungshypothesen der Paulusbriefe zu rechtfertigen.

Die letzten drei Beiträge widmen sich dem Verhältnis von „Exegese und Kirche“. In dem Aufsatz „Streit um die Rechtfertigung. Paulus, Jakobus und Martin Luther“ berührt Klauck das zentrale Thema der paulinischen Theologie. Dabei versucht er aufzuzeigen, wie sich der Gegensatz zwischen Paulus und Jakobus erklären lässt und was für Folgen dieser für die Lehre von der Rechtfertigung hat. Gleich eingangs urteilt er kritisch: Im Blick auf „Gerechtigkeitsbegriff und Gesetzesverständnis hatten sich [...] beide Parteien, Martin Luther und seine Gegner, vom biblischen Befund teils erheblich entfernt“ (S. 345). Es bleibe zu betonen, dass in dem bekannten Vers von Jak 2,24 zwar die Rede davon sei, dass der Mensch nicht durch den Glauben allein gerechtfertigt werde, doch ebensowenig finde sich dort die Aussage, dass die Werke allein für die Rechtfertigung des Menschen ausreichen würden. Glaube und Werke müssten zusammenwirken. Klauck geht davon aus, dass Jakobus sich bereits kritisch mit dem paulinischen Grundsatz aus Röm 3,28: „Denn wir sind überzeugt, dass der Mensch gerecht wird durch den Glauben, ohne Werke des Gesetzes“ auseinandersetzen will. „Er zitiert ihn in V 24, indem er ihn negiert“ (S. 357). Möglicherweise sah sich Jakobus aber auch bereits mit der einen oder anderen nachpaulinischen Fehlentwicklung konfrontiert. Die differenzierte Wahrnehmung dieser unterschiedlichen neutestamentlichen Stimmen, so Klauck, sei eine wichtige Grundlage für alle weiteren Bemühungen der christlichen Kirchen. In diesem Sinne sei die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche“ Ausdruck jener entschlossenen Haltung gewesen, das Studium der biblischen Grundlagen fortzuführen und zu vertiefen und dadurch zu einer „(v)ersöhnte(n) Einheit in Vielfalt“ (S. 359) zu gelangen.

In den letzten zwei Beiträgen über „Die katholische neutestamentliche Exegese zwischen Vatikanum I und Vatikanum II“ und „Alle Jubeljahre. Zum neuen Dokument der Päpstlichen Bibelkommission“ stellt Klauck schließlich die Entwicklung der katholischen Exegese von der dogmatischen Konstitution Dei Filius des ersten vatikanischen Konzils im Jahre 1870 bis hin zum Dokument der Päpstlichen Bibelkommission über „Die Interpretation der Bibel in der Kirche“ vom 18. November 1993 dar.

Insgesamt wird die Aufsatzsammlung durch vier ausführliche Register erschlossen (1. Stellen; 2. Namen und Sachen; 3. Griechische Begriffe; 4. Autoren). Die Beiträge von Klauck zeichnen sich neben einer breiten Quellen- und Literaturkenntnis vor allem auch durch eine konsequente wissenschaftliche Methodik sowie durch die klare und verständliche Sprache aus. Klaucks Thesen werden nie extrem oder gar polemisch. Vielmehr zeigt er große Freude an einer akribischen und zugleich geistreichen Forschungsarbeit, die einen jeden bereichern kann, der sich mit ihr konfrontiert.



 
 
 
 
 
 
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