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Recensione: KARL-HEINZ SELGE, Ehe als Lebensbund: die Unauflöslichkeit der Ehe als Herausforderung für den Dialog zwischen katholischer und evangelisch lutherischer Theologie

 
 
 
Foto Stamm Heinz-Meinolf , Recensione: KARL-HEINZ SELGE, Ehe als Lebensbund: die Unauflöslichkeit der Ehe als Herausforderung für den Dialog zwischen katholischer und evangelisch lutherischer Theologie , in Antonianum, 75/2 (2000) p. 380-383 .

Selge, Diözesanrichter am Konsistorium des Erzbistums Berlin sowie Lehrbeauftragter für Kirchenrecht an der Theologisch-Pädagogischen Akademie Berlin, untersucht in seiner vom Gerichtsvikar der Diözese Linz und Rektor der Theologischen Fakultät der Katholisch-Theologischen Hochschule Linz, Prof. DDr. Severin Lederhilger, OPraem.,  betreuten Doktorarbeit das theologisch und kirchenrechtlich schwierige Problem der Unauflöslichkeit der Ehe im ökumenischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den evangelisch-lutherischen Kirchen.

Angesichts der in den evangelischen Kirchen zugestandenen Ehescheidung sieht sich die Kanonistik veranlasst, davon ausgehen, dass sich die Protestanten «hinsichtlich der Unauflöslichkeit der Ehe weithin in Unkenntnis oder Irrtum» (H. Armbruster) befinden. Das führt A. Scheuermann zu der Feststellung, dass der Ehewille evangelischer Christen defizitär ist, da sie sich zwar zum Dauercharakter der Ehe bekennen und ihre Ehe auch in diesem Sinne führen wollen, aber auf der anderen Seite vom Nupturienten an der Vorstellung von einer „bedingten“ Unauflöslichkeit zumindest rein verstandesmäßig festgehalten wird. Von dieser kanonistischen Fragestellung angeregt, bei ihr aber nicht stehen bleibend, sondern die ganze Theologie bis hin zur Ökumenik einbeziehend, unternimmt es Selge, zunächst «die Geschichte der Einheit der abendländischen Kirche und diejenige des konfessionell gespaltenen Denkens über die Ehe» (S. 8) zu konfrontieren, um sodann «die heutigen Problemlösungsansätze in evangelischer und katholischer Theologie aufzuweisen, in Beziehung miteinander zu setzen und auf diese Weise einen dem Willen Jesu gerecht werdenden Aufweis dessen vorzulegen, was eheliche Bindung auf Lebenszeit wesentlich ausmacht und von den Nupturienten erfordert,... mit dem Ziel, lutherische und katholische Ehetheologie miteinander ins Gespräch zu bringen» (S. 7).

Das Werk ist in vier Kapitel aufgeteilt: I. Das Grundverständnis von Ehe und ehelicher Bindung in der gemeinsamen theologisch-kirchlichen Tradition des Abendlandes (S. 13-76); II. Das Grundverständnis von Ehe und ehelicher Bindung auf Lebenszeit in der theologischen Tradition Luthers (S. 77-192); III. Zur neuzeitlichen Entwicklung des katholischen Verständnisses von Ehe und lebenslanger Bindung (S. 193-305); IV. Konzeptionen zur Erhellung der Wirklichkeit unlösbarer ehelicher Bindung – doktrinelle Entwürfe zur Unauflöslichkeit der Ehe seitens katholischer und evangelisch-lutherischer Theologen der Gegenwart (S. 306-371); Schluss: Die Auswertung eines interkonfessionellen Dialogs (S. 372-386). Vorangestellt sind ein umfangreiches Abkürzungsverzeichnis (S. XX-XL) und eine über 1.500 Titel umfassende Bibliographie (S. XLI-CXXX). Das Werk schließt mit einem Kanonesregister (S. 387) und einem Personenregister (S. 388-402).

     Der neutestamentliche Befund ergibt, dass Jesus bereits die Scheidung, nicht erst die Wiederheirat als im Widerspruch zum Willen Gottes sieht. Für die Scheidung beruft man sich nach den Worten Jesu zu Unrecht auf eine Regelung durch Mose, da sie nur eine Notordnung darstellt ohne Ausrichtung auf die Schöpfungsintention Gottes. Im Kontext der Predigt Jesu vom Reich Gottes leuchtet wieder die wesenhafte, gottgestiftete Gestalt der Ehe als Gemeinschaft für die Zeit des ganzen Lebens auf.

Bei den Kirchenvätern bildet sich trotz klarem Bekenntnis zur Unauflöslichkeit der Ehe eine unterschiedliche Behandlung der Scheidung heraus. Während die Kirchenväter des Ostens dazu neigen, in Einzelfällen die Scheidung wegen Ehebruchs des Partners und den anschließend nach dem Gewohnheitsrecht erfolgten Eintritt in eine neue Verbindung, die natürlich keine Ehe ist, zu dulden, weisen die des Westens streng jede Aufweichung der Unauflöslichkeit der Ehe in der Praxis zurück.

Auch im Mittelalter geht die Entwicklung eher auf die Verschärfung der Bedingungen für die gültige Ehe hin. Zwar weitet sich in den Kirchen des Ostens die Praxis der Zulassung Geschiedener aus, ohne dabei den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe aufzugeben. In der Kirche des Westens setzt sich aber im 13. Jh. die Lehre von der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe endgültig durch. Denn die Ehe gehört sowohl der Schöpfungsordnung als auch der Erlösungsordnung an und vermittelt durch das Sakrament den Eheleuten Teilhabe an der göttlichen Gnade. Durch den Konsens zweier Getaufter kommt die gültige, sakramentale Ehe zustande. In Erweiterung des Privilegium Paulinum kann eine nicht sakramentale Ehe bei beabsichtigter Eingehung einer sakramentalen Ehe sowie eine sakramentale, aber nicht vollzogene Ehe bei beabsichtigter Ablegung der Ordensgelübde durch päpstlichen Gnadenakt gelöst werden. Für alle diese Ehen gilt die innere Unauflöslichkeit ohne jede Einschränkung.  Die äußere Unauflöslichkeit gilt dagegen nur für die sakramentale, vollzogene Ehe. Diese letztere ist unauflöslich in absoluter Weise. Sie ist ein reales Abbild der unlösbaren Verbindung zwischen Christus und der Kirche. So kommt es seit der Hochscholastik zu einer Sakralisierung des Ehevertrags. Die Vertragskonzeption führt dazu, dass die Unauflöslichkeit der Ehe gesetzlich verengt wird und nur noch in juristischen Kategorien bedacht werden kann.

Nach Luther wird die Ehe durch das Evangelium als ordinatio et institutio divina, als gottgestifteter, unauflöslicher Bund verkündet. Ihr Wesen  beruht nicht auf dem Willen der Eheleute, sondern auf dem Schöpfungswillen Gottes. Der Missbrauch der Ehe und damit die Vorstellung einer eventuellen Scheidungsmöglichkeit stellt nach Luther die Folge der im fehlenden Glauben an Jesus Christus begründeten Unkenntnis um die göttliche Einsetzung der Ehe und die Konsequenz einer dem Evangelium widerstreitenden völlig profanierten Eheauffassung dar. Das Wort Luthers von der Ehe als weltlichem Ding steht das andere Wort von der Ehe als dem eigentlich wahren geistlichen, dem allergeistlichsten Stand gegenüber. Beide Worte ergänzen sich und sind auf dem Hintergrund seiner Zwei-Reiche-Lehre zu sehen.

     In Anlehnung an Luther halten auch alle folgenden Dokumente des Protestantismus bis heute ausdrücklich an der Unverfügbarkeit und Unauflöslichkeit der Ehe fest. Die Ehe ist als Gottes Gebot und Ordnung mit der unabdingbaren Intention auf Lebensdauer einzugehen. Sie ist ein Lebensbund, der aus einer lebendigen Gottesbeziehung heraus den Willen Gottes ausdrückt.

     Auf katholischer Seite erhellt aus der lehramtlichen Verkündigung und den ihr folgenden kanonischen Bestimmungen, dass der von den Brautleuten angenommene und verinnerlichte Glaube an Christus den Erlöser Drehpunkt und Angelpunkt der theologischen Erklärung der Unauflöslichkeit der Ehe ist. Der Glaube an Christus als dem Ursakrament wird zum tragenden Element der theologischen Begründung der Ehe als Lebensbund. Die im Glauben erkannte und von hierher bejahte Unauflöslichkeit wird so zu einer Voraussetzung für das Zustandekommen einer gültigen Ehe und somit zu einem Erfordernis für den Empfang des Sakramentes.

     Auch wenn heute die Kirchen versuchen, auf verschiedene Weise den geschiedenen und eventuell wiederverheirateten Gläubigen pastoral beizustehen, grundsätzlich halten sie alle an der Unauflöslichkeit fest: «Alle Kirchen sind der Überzeugung, dass die Ehe ein Bund für die Dauer des Lebens sei und nicht aufgelöst werden soll. Die feste Absicht lebenslänglicher Treue ist darum in den Augen aller Kirchen eine wesentliche Bedingung für die Ehe... Alle Kirchen erachten es als ihre Aufgabe, diese Treue durch Wort und Tat zu bezeugen, sie erinnern daran bei der Segnung jeder Ehe, und die Gatten müssen sich dazu verpflichten», so die Aussage heutiger evangelischer Theologie (S. 323).

Selge ist es gelungen, die schier unermessliche Materialfülle zum Thema zu sichten und in geordneter, methodologisch sauberer Darlegung zur Verfügung zu stellen. Seine bereits aus den Ausführungen abgeleiteten ersten Schlussfolgerungen überzeugen. Sie sind darüber hinaus ein wertvoller Ausgangspunkt für das zukünftige weiterführende ökumenische Gespräch. Die Theologie und das Kirchenrecht werden durch Selges Studie wesentlich bereichert, die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen kommen sich durch sie sehr viel näher.

 



 
 
 
 
 
 
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